Rasant steigende Buchungszahlen

Die Reisebranche setzt wieder Segel – und die Börse schaut zu

Nach zwei Jahren Corona-Pandemie verzeichnen Tourismusunternehmen rapide steigende Buchungszahlen. Manche Analysten sind allerdings skeptisch, ob jetzt schon der Zeitpunkt für einen Einstieg in die Branchenaktien gekommen sei. Denn hohe Kraftstoffpreise und Inflationsraten könnten das Urlaubsgeschäft weiter belasten.

Von Richard Haimann Veröffentlicht:
Folgt dem Abflauen der Krise das große Fernweh? Die Reisebranche meldet aktuell starke Buchungszahlen.

Folgt dem Abflauen der Krise das große Fernweh? Die Reisebranche meldet aktuell starke Buchungszahlen.

© Eduard / stock.adobe.com

Neu-Isenburg. Mehr als 1500 neue Stellen hat TUI derzeit ausgeschrieben: Spezialisten für die IT-Technologie und das Online-Geschäft werden vom weltgrößten Touristikkonzern mit einem Jahresumsatz von 7,94 Milliarden Euro (2020) ebenso gesucht, wie Reiseleiter in Urlaubsdestinationen. „Wir bereiten das Unternehmen wieder auf Wachstum vor“, sagt Personalvorständin Sybille Reiß.

Nachdem die Impfungen und die mildere Omikron-Variante der Pandemie den Schrecken genommen hätten, „wollen die Menschen verreisen“. Die Nachfrage nach Buchungen sei enorm.

„Wiederaufstieg der Branche“

Im letzten Quartal des vergangenen Jahres „hatten wir 2,3 Millionen Kunden und Mittelzuflüsse von 1,4 Milliarden Euro“, so TUI-Vorstandschef Friedrich Joussen. Im Vergleichszeitraum des Vorjahres seien es nur 500.000 Kunden gewesen.

Nicht nur die TUI-Zahlen zeigten, dass nun die Stunde gekommen sei, wieder in Aktien von Touristikunternehmen zu investieren, glaubt Uwe Zimmer, Chef der Investmentberatung Z-Invest in Köln. „Jetzt steht der Wiederaufstieg der Branche bevor – auch an den Börsen.“ Denn auch die Mitbewerber des Reisegiganten aus Hannover verspüren reges Kundeninteresse.

Die Sehnsucht nach Auszeit vom Alltag ist groß. Die Menschen werden Kreuzfahrten buchen, auf Mallorca in der Sonne liegen oder aufwendige Touren buchen.

Uwe Zimmer, Geschäftsführer der Investmentberatung Z-Invest

Christine Duffy, Präsidentin der Carnival Cruise Line, meldete im April, „die umsatzstärkste Buchungswoche in unserer 50-jährigen Unternehmensgeschichte“ – ohne jedoch Zahlen zu nennen. Carnival Cruise Line ist eine Tochter der börsennotierten Carnival Corporation, des größten Kreuzfahrtunternehmens der Welt mit Marken wie Aida Cruises, Costa Crociere, Cunard Line und Princess Cruises.

Die Nachfrage sei so stark, dass inzwischen alle 23 Kreuzfahrtschiffe wieder im Einsatz seien, so Duffy. „Mit der neuen Carnival Celebration werden wir im November unser jüngstes Schiff in Dienst nehmen.“

Die Aktienkurse der Touristikkonzerne spiegeln das wieder erwachte Geschäft bislang nur zum Teil wider. Noch im April ist die TUI-Aktie um weitere 7,5 Prozent gefallen. Seit Beginn der COVID-19-Pandemie in Europa im Februar 2020 hat das Papier mehr als 50 Prozent an Wert verloren.

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Die Carnival-Aktie notiert sogar mehr als 60 Prozent unter ihrer Vor-Corona-Notierung. Hingegen ist die Aktie von Royal Caribbean Cruises, der zweitgrößten Kreuzfahrtgesellschaft der Welt, in den vergangenen drei Monaten bereits um zehn Prozent gestiegen, notiert aber noch knapp 40 Prozent tiefer als vor Ausbruch der Pandemie. Das Papier der Lufthansa ist derzeit mehr als 34 Prozent billiger als im Februar 2020.

Dass viele Investoren sich von den Touristikwerten noch fern halten, liegt auch an negativen Analystenkommentaren. So schreibt etwa Alexander Irving von Bernstein Research zur Lufthansa-Aktie Ende April zwar: „Der Flugverkehr nimmt wieder Fahrt auf und die Profitabilität steht vor der Rückkehr.“

Dennoch hat er für das Papier auf 12-Monats-Sicht nur ein Kursziel von sechs Euro ausgerufen, obwohl die Aktie zu diesem Zeitpunkt über sieben Euro notierte.

Skepsis überwiegt

William Fitzalan Howard von der Hamburger Privatbank Berenberg hat die Lufthansa-Aktie mit „Halten“ eingestuft, bei einem Zwölf-Monats-Kursziel von 6,30 Euro. Die von der Regierung in Bejing zuletzt verhängten harten Lockdowns über Millionenstädte wegen Omikron-Ausbrüchen dürften „die Erholung des asiatisch-pazifischen Passagier-Luftverkehrs weiter hinausschieben“.

Christian Nedelcu, Analyst bei UBS, stuft die TUI-Aktie trotz der wieder steigenden Kundenzahlen aktuell mit „Verkaufen“ ein. Sein Argument: Die hohen Kraftstoffpreise „dürften in diesem Sommer die Profitabilität im Reiseveranstaltergeschäft drücken“. In der Kreuzfahrtsparte seien Preisanstiege zwischen sechs und acht Prozent nötig, um die höheren Energiekosten zu kompensieren.

Durchwachsen fallen die Urteile auch bei anderen Branchenwerten aus. Aktuell stufen sechs Analysten die TUI-Aktie mit „Verkaufen“, sechs mit „Halten“ und nur einer mit „Kaufen“ ein. Beim Kreuzfahrer Carnival raten vier Analysten zum Verkauf, elf zum Halten und immerhin sieben zum Kauf. Bei Royal Caribbean raten zwei Analysten zum Verkauf, neun zum Halten, sechs zum Kauf.

Die Skeptiker unter den Analysten fürchten, die stark gestiegenen Kraftstoffpreise und die hohe Inflation könnten die Reiselust wieder abwürgen. Optimisten meinen, dass nach zwei Jahren Pandemie Konsumenten nicht am Urlaub, sondern eher an anderen Dingen sparen werden.

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