Hintergrund

Fiskus soll Verluste aus Policen-Verkauf anerkennen

Wer vorzeitig seine Lebensversicherung verkauft, erleidet oft Verluste. Einige Finanzämter erkennen diese sogar an, sehr zum Missfallen des Finanzministers.

Von Thomas Hammer Veröffentlicht:
Fiskus soll Verluste aus Policen-Verkauf anerkennen.

Fiskus soll Verluste aus Policen-Verkauf anerkennen.

© Foto: Falko Mattewww.fotolia.de

Versicherungssparen gilt als die Marathon-Disziplin der Kapitalanlage, weil die Verträge oft 20 Jahre oder noch länger laufen. Entsprechend hoch ist die Rate der Anleger, die ihre Kapitallebens- oder Privatrentenversicherung vorzeitig kündigen. Rund die Hälfte der Sparer steigt vor dem Ende der Vertragsdauer aus und erleidet damit teils drastische Renditeeinbußen. Wird ein Versicherungssparvertrag in den Anfangsjahren gekündigt, ist der ausgezahlte Rückkaufswert oftmals viel niedriger als die Summe der eingezahlten Raten.

Die Einbußen entstehen durch die Zillmerung

Grund dafür ist die so genannte Zillmerung: Bei diesem Verfahren werden die hohen Provisionen, die der Finanzvermittler von der Assekuranz gleich nach dem Vertragsabschluss erhält, auf die ersten Sparjahre umgelegt. Auf bis zu vier Prozent der Gesamteinzahlungen belaufen sich diese Provisionszahlungen - das sind bei 30 Jahren Vertragslaufzeit und 200 Euro Monatsrate 2880 Euro. Allein um die Vertriebskosten hereinzuholen, werden je nach Vertragsgestaltung die Einzahlungen der ersten ein bis zwei Jahre abgezweigt.

Nun berichtet der in der Schweiz ansässige Prozessfinanzierer Proconcept, dass es einzelnen Versicherungsnehmern gelungen sei, gegenüber ihrem Finanzamt die Verluste steuerlich geltend zu machen. Wenn dieses Beispiel Schule mache, müsse der Fiskus tief in die Tasche greifen, rechnet Proconcept-Chef Jens Heidenreich vor: "Nach unseren Schätzungen sind Steuererklärungen von mehr als zehn Millionen Bundesbürgern betroffen."

Bei Neuverträgen ist der Fiskus schon großzügiger

Allerdings rechnet das Unternehmen damit, dass die Steuerbescheide der kulanten Finanzämter von übergeordneten Instanzen einkassiert und zunächst einmal Musterprozesse geführt werden. Vorsorglich hat das Bundesfinanzministerium bereits Gegenmaßnahmen angekündigt, denn das Vorgehen der einzelnen Finanzämter widerspreche der geltenden Rechtsauffassung.

Streit soll bis zum BFH gehen.

Weil sich in den vergangenen Jahren die steuerliche Behandlung von kapitalbildenden Versicherungen geändert hat, ist die Rechtslage ziemlich verzwickt. Wer seinen Versicherungsvertrag nach dem 31. Dezember 2004 abgeschlossen hat, muss die Hälfte des Gewinns versteuern, wenn der Vertrag mindestens zwölf Jahre lang läuft und das Guthaben nach dem 60. Geburtstag ausgezahlt wird. Werden diese Kriterien nicht eingehalten, ist der Gewinn in voller Höhe steuerpflichtig. Bei solchen Verträgen haben Finanzämter teilweise Verluste steuerlich anerkannt, weil der Sparer keine Möglichkeit hat, die Gewinne vollständig steuerfrei zu kassieren.

Anders ist hingegen die Lage bei älteren Verträgen. Hier gilt, dass bei einer Mindestlaufzeit von zwölf Jahren die Erträge vollkommen steuerfrei bleiben. Nun könnte der Sparer bei einer verlustbringenden Auflösung innerhalb der Zwölfjahresfrist damit argumentieren, dass im Falle eines Gewinnes dieser ebenfalls steuerpflichtig gewesen wäre. Die Finanzverwaltung stellt sich dagegen auf den Standpunkt, dass bei einer Weiterführung des Sparplans nach Ablauf von zwölf Jahren die Steuerpflicht entfällt und deshalb auch ein Verlust bei früher Kündigung keine steuerlichen Auswirkungen hat.

Proconcept hat angekündigt, notfalls bis zum Bundesfinanzhof zu gehen. Wie die obersten Finanzrichter entscheiden werden, steht aber in den Sternen.

Widerspruch gegen Steuerbescheid

Betroffene können den Verlust aus einer vorzeitig gekündigten Lebensversicherung in der Steuererklärung als negativen Kapitalertrag angeben. Im Falle einer Ablehnung durch das Finanzamt ist dann Widerspruch gegen den Bescheid einzulegen; unter Umständen wird später eine Klage erforderlich.

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