Größter Abrechnungsbetrug Sachsens?

Ärger an der Elbe: In Dresden ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen ein MVZ wegen Betrugs. Hintergrund: Bei den Abrechnungen soll es massive Ungereimtheiten gegeben haben. Die KV spricht vom größten Betrugsfall im Freistaat.

Von Thomas Trappe Veröffentlicht:
Wird ein Betrug nachgewiesen, kann das strafrechtliche Konsequenzen für den MVZ-Betreiber haben.

Wird ein Betrug nachgewiesen, kann das strafrechtliche Konsequenzen für den MVZ-Betreiber haben.

© Andre Bonn/fotolia.com

DRESDEN. Gegen das Neurologisch-Medizinische Versorgungszentrum (NMVZ) in Dresden wird wegen Betrugs ermittelt. Wie die Dresdner Staatsanwaltschaft auf Anfrage der "Ärzte Zeitung" jetzt bestätigte, steht der Vorwurf des Betrugs zum Nachteil der Kassenärztlichen Vereinigung Sachsen (KVS) im Raum.

"Die Ermittlungen dauern an", erklärte Oberstaatsanwalt Lorenz Haase, der vorerst wegen des laufenden Verfahrens keine weiteren Informationen geben konnte. "Es sind noch umfangreiche Auswertungen vorzunehmen."

Der Geschäftsführer des NMVZ, Dr. Lutz Lohse, äußerte sich auf mehrfache Anfragen der "Ärzte Zeitung" hin bisher noch nicht.

Das NMVZ in Dresden wurde 2006 gegründet, das Geschäftskonzept beruht darauf, dass auf wenig Raum und in kurzen Zeiträumen Patienten behandelt werden - vor allem durch hausinterne Überweisungen.

Lohse selbst bezeichnete in einem Interview mit der "Ärzte Zeitung" im vergangenen Jahr dieses Konzept als Aldi-Prinzip. Zu der NMVZ-Zentrale in Dresden gehören fünf weitere Zweigstellen im Dresdner Umland.

Überall wurden laut einem Bericht der "Sächsischen Zeitung" bereits im Januar Hausdurchsuchungen durchgeführt. Die Zeitung berichtet weiter, dass Lohse "Geld für die Behandlung von Toten gefordert haben soll. Für fiktive Hausbesuche. Für nicht erbrachte Physio- und Ergotherapien."

Laut früheren Angaben Lohses sind im NMVZ 35 Ärzte und weitere 200 Mitarbeiter angestellt.

Schadenssumme soll sich auf zwei Millionen Euro belaufen

Angezeigt wurde Lohse von der KV Sachsen schon zu Beginn des vergangenen Jahres, wie Dr. Klaus Heckemann, KVS-Vorstandsvorsitzender, jetzt gegenüber der "Ärzte Zeitung" erklärte. Er geht davon aus, dass es sich bei dem Fall Lohse um den "größten Abrechnungsbetrug des Freistaats" handele.

Insgesamt sei nach den Berechnungen der KV ein Schaden von rund zwei Millionen Euro entstanden. "Wenn Lohse dafür mit seinem Vermögen haften kann, ist alles okay. Nur gehe ich davon aus, dass er das nicht kann."

Heckemann prognostiziert, "dass wir als KV und damit die sächsischen Ärzte für den Schaden aufkommen müssen."

Auch den sächsischen Kassen ist das Abrechnungsverhalten von Lohse offenbar schon länger verdächtig. Hannelore Strobl, Sprecherin der sächsischen AOK Plus, erklärte, dass ihre Kasse "in dem Fall des NMVZ bereits im Dezember 2009 Anzeige bei der Dresdner Staatsanwaltschaft erstattet" habe.

Zuvor habe "die Abteilung für Fehlverhaltensbekämpfung im Gesundheitswesen auf Grund von entdeckten 'Unregelmäßigkeiten' bei Abrechnungen, die aus diesem Hause kamen, gegen das NMVZ von Dr. Lohse ermittelt."

Unzufrieden ist man bei der AOK offenbar, dass seitdem viel Zeit vergangen ist: "Dass es dann noch so lange gedauert hat, bis es zur staatsanwaltschaftlichen Durchsuchung der Räume des NMVZ gekommen ist, möchten wir nicht beurteilen."

Auch Klaus Heckemann erklärte, dass er fürchtet, der Schaden könnte "mit jedem Tage größer werden".

Dass der Umgang zwischen KVS und Lohse kein leichter ist, das betont Heckemann schon länger. Auch Lutz Lohse machte dazu in einem früheren Interview mit der "Ärzte Zeitung" deutliche Aussagen.

"Wir können Kosten extrem senken, man müsste uns unterstützen. Dagegen schießt die KV, weil sie alle Ärzte vertritt, die höhere Kosten abrechnen wollen." Er erklärte damals auch, dass er von Kollegen angefeindet würde.

Lohse: "Die haben Angst, dass wir ihnen die Patienten wegnehmen." KV-Chef Heckemann geht davon aus, dass frühestens Ende 2012 die Ermittlungen abgeschlossen sein werden.

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Kommentare
Dr. Matthias Zimmer 06.04.201312:45 Uhr

Fakten schaffen

Bei allem Respekt vor mehr oder weniger guter journalistischer Recherche - geht es nicht zu weit, einen ärztlichen Kollegen und eine komplexe Versorgungsstruktur durch Veröffentlichung von Problemen vor erfolgter Rechtssprechung in Schwierigkeiten zu bringen? Wohin bringt uns das? Oder sollte das bereits der Standard des Umganges mit Kollegen sein? Vielleicht sollen hier Fakten geschaffen werden, bevor die Probleme rechtlich gewürdigt worden sind. Wem dient das?
Ich würde mir etwas mehr Kultur und Verantwortungsbewußtsein beim Umgang mit solchen sensiblen Themen wünschen. Es geht nicht nur um den Inhaber, sondern genauso auch um die Sicherheit der wirtschaftlichen Existenz der Angestellten, sowie nicht zuletzt auch um die Versorgungssicherheit der Patienten.

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