Hoppe zu Gewerbesteuerpflicht: Das sind Vorschläge aus der Mottenkiste

Den aktuellen Forderungen der kommunalen Spitzenverbände nach einer Gewerbesteuerpflicht für Ärzte erteilt die Bundesärztekammer eine klare Absage.

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BERLIN (ava). "Populistische Uraltforderungen nach einer Gewerbesteuerpflicht für Ärzte gehören in die finanzpolitische Mottenkiste und nicht in eine seriöse politische Debatte." So kommentierte Bundesärztekammer-Präsident Jörg-Dietrich Hoppe den jüngsten Vorschlag des Deutschen Städtetages, die Gewerbesteuer auch auf die freien Berufe auszuweiten. Das Bundesverfassungsgericht habe 2008 klargestellt, dass es "signifikante Unterschiede zwischen Freiberuflern und Gewerbetreibenden" gebe und die Gewerbesteuerbefreiung von Ärzten deshalb mit dem Grundgesetz vereinbar sei. "Angesichts des Ärztemangels muss es doch Ziel der Kommunen sein, junge Ärzte wieder für die Arbeit am Patienten zu begeistern. Stattdessen werden Niederlassungswillige durch solch überflüssige Debatten weiter verunsichert", kritisierte Hoppe.

"Der Arztberuf ist kein Gewerbe, er ist seiner Natur nach ein freier Beruf. So steht es zu Recht in der Bundesärzteordnung", stellte Hoppe klar. Ärzte sicherten die medizinische Versorgung. Anders als Gewerbetreibende nähmen sie dabei Einschränkungen der Werbe- und Niederlassungsfreiheit sowie der Gewinnorientierung in Kauf.

Auch der Präsident der Landesärztekammer Rheinland-Pfalz, Frieder Hessenauer, wandte sich gegen eine Gewerbesteuer für Ärzte: "Die Niedergelassenen müssen derzeit schon mit extrem vielen wirtschaftlichen Zwängen leben, die ihnen von der Politik auferlegt worden sind. Sie darüber hinaus auch noch mit einer weiteren Steuerabgabe zu belasten, löst keine Probleme, sondern schafft nur neue."

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Kommentare
Uwe Schneider 20.06.201013:01 Uhr

Was unterscheidet Freiberufler von anderen Dienstleistungsberufen?

Nicht genug, um die Gewerbesteuerfreistellung zu rechtfertigen! Das gilt nicht zur für Ärzte, sondern beispielsweise auch für Rechtsanwälte, Steuerberater und Wirtschaftsprüfer.

Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts kann man schon rechtlich in Frage stellen - wahrscheinlich war die Sorge um die kommunalen Finanzen ein gewichtiger, wenn auch unausgesprochener Grund für die Feststellung, dass die Gewerbesteuer mit dem Grundgesetz vereinbar ist. Zwingend ist die heutige Ausgestaltung der Gewerbesteuer dagegen verfassungsrechtlich keineswegs - die Politik kann und sollte andere Option wählen.

Die Infrastrukturlasten für die Gemeinden, mit denen das BVerfG die Berechtigung einer selektiven Besteuerung von Gewerbetreibenen im Gegensatz zu Freiberuflern offiziell begründete, werden lediglich von "schwerem Gewerbe" bzw. der Industrie verursacht, nicht aber von anderen Dienstleistern (Versicherungen, Makler, Werbeagenturen, Copy-Shops, Schneidereien, Einzelhandel, ...). Außerdem können dieses Lasten überwiegend durch Gebühren und Beiträge (Erschließungsbeiträge, Abfallgebühren, ...) übergewältz werden.

Die für niedergelassene (Vertrags-)Ärzte typischen Beschränkungen der Niederlassungs- und Werbefreiheit können auch als staatlicher Schutz vor Wettbewerb bis hin zu faktischen Umsatzgarantien für Zulassungsinhaber (wozu die allermeisten ärztlichen Freiberufler zählen) gewertet werden.

Mittelbar dem Gemeinwohl dienen auch andere Berufe. Das Argument, dass dies bei Freiberuflern unmittelbarer und deren Gewinnstreben geringer sei, geht wohl an der Wirklichkeit und der allgemeinen Natur des Menschen vorbei. Wenn man dieses Argument vorbringt, hätte man wohl auch Probleme, Forderungen nach Honorarzuwächsen über der Inflationsrate und dem allgemeinen Wirtschaftswachstum in der gegenwärtig noch schwierigen wirtschaftlichen Situtation zu begründen.

Eine intransparente indirekte Steuersubention mit der Gießkanne ist auch kaum ein richtiger Weg, um den Ärztemangel in einigen Regionen zu bekämpfen.

Also: Hoffen wir, dass eine allgemeine Gemeindewirtschaftsteuer für alle Gewerbetreibende und Freiberufler kommen wird, die durchaus der Einfachheit halber als Zuschlag zur Einkommens- und Körperschaftsteuer ausgestaltet werden könnte. Das wäre ein Weg zu mehr Steuergerechtigkeit, zur Rechtsvereinfachung und auch zur Verstetigung der Einnahmen der Gemeinden.

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