Anleger

Kapitalismus nach Putins Gnaden

Die Wirtschaft Russlands wächst trotz der von den USA und der EU verhängten Sanktionen weiter.

Von Richard Haimann Veröffentlicht:
Putin gibt die Richtung vor: Das Präsidentenwort ist für alle in Russland Gesetz – auch für die Wirtschaft.

Putin gibt die Richtung vor: Das Präsidentenwort ist für alle in Russland Gesetz – auch für die Wirtschaft.

© Maksim Blinov / dpa / picture alliance

Neu-Isenburg. Gita Gopinath, Chefökonomin des Internationalen Währungsfonds, hat eine gute und eine schlechte Nachricht für Anleger. Die schlechte: Wegen der von US-Präsident Donald Trump geführten Handelskriege gegen China und Europa dürfte in diesem Jahr die Weltwirtschaft – und damit die Erträge börsennotierter Unternehmen – nur um drei Prozent zulegen, der niedrigste Wert seit der Finanzkrise von 2008.

Die gute Botschaft: „Im kommenden Jahr“, prognostiziert Gopinath, „wird die globale Konjunktur mit 3,4 Prozent wieder stärker wachsen“ – nicht zuletzt durch die solide Wirtschaftsleistung in einem aufstrebenden Staat: Russland.

Sanktionen verfehlen ihr Ziel

Die EU und die USA haben zwar Wirtschaftssanktionen gegen Russland verhängt, nachdem Moskau 2014 die zur Ukraine gehörende Halbinsel Krim annektiert hat. Doch dies hat der Konjunktur im flächenmäßig größten Land der Erde kaum geschadet. „Mit einer Quote von nur 13,9 Prozent zählt Russland zu den Ländern mit der geringsten Staatsverschuldung weltweit“, sagt Folker Hellmeyer, Chefvolkswirt der Bremer Investmentgesellschaft Solvecon. Zum Vergleich: In Deutschland beträgt die Staatsverschuldung 60,9 Prozent des Bruttoinlandsprodukts, in den USA sind es 105,77 Prozent und in Japan 237,1 Prozent.

Moskau betreibt einen Kapitalismus von oben.

Wolfgang Juds, Geschäftsführender Gesellschafter der Credo Vermögensmanagement in Nürnberg

Zudem zähle Russland nicht nur zu den stärksten Exporteuren von Rohstoffen wie Erdgas, Erdöl und Nickel, sondern sei auch in hochtechnologischen Bereichen wie der Raumfahrt „weltweit führend“, sagt Wolfgang Juds, geschäftsführender Gesellschafter der Credo Vermögensmanagement in Nürnberg. „Der deutsche Astronaut Alexander Gerst wäre ohne die russische Weltraumtechnologie niemals zur Internationalen Raumstation ISS geflogen.“ Der Geophysiker war am 6. Juni 2018 mit einem Sojus-Raumschiff zur ISS gelangt und mit ihr nach 196 Tagen im All wieder zur Erde zurückgekommen.

Russlands Wirtschaftskraft hat die Aktienkurse börsennotierter Firmen deutlich in die Höhe getrieben. In den vergangenen drei Jahren stieg der MSCI Russia, der Index der 23 russischen Konzerne mit der höchsten Marktkapitalisierung, um 62 Prozent. Zudem profitierten Aktionäre von üppigen Dividenden, deren Höhe derzeit durchschnittlich mehr als fünf Prozent des Aktienkurses beträgt. „Bei den Dividendenrenditen liegt das Land an der Wolga weltweit vorn“, so Juds. Künftig sollten die Ausschüttungen noch weiter steigen. Denn Präsident Wladimir Putin hat die Konzerne angewiesen, mindestens 50 Prozent des Gewinns an die Aktionäre auszukehren. „Moskau betreibt einen Kapitalismus von oben“, sagt Juds.

Bislang überwiegt die Skepsis

„Russlands Finanzmarkt ist erwachsen geworden“, sagt Ökonom Hellmeyer. „Die Regierung will internationales Kapital anziehen und legt deshalb sehr großen Wert darauf, dass die Unternehmen ihre Aktionäre zufriedenstellen.“ Dies dürfte dazu führen, dass in den kommenden Jahren Russlands Wirtschaft und damit die Erträge der Unternehmen und ihre Dividendenzahlungen weiter zulegen werden. Bislang sei der Blick westlicher Investoren zumeist von Skepsis geprägt, sagt Juds.

Das biete Chancen für Anleger, „die abseits der ausgetretenen Pfade ihr Geld anlegen wollen“. Denn im internationalen Vergleich seien russische Aktien billig. So kostet das Papier des russischen Google-Konkurrenten Yandex das Elffache des in 2018 erzielten Gewinns, während die Aktie der Google-Mutter Alphabet zum 23,6-Fachen gehandelt wird. Die Aktie des russischen Gas- und Ölkonzerns Gazprom kostet das 3,7-Fache des für dieses Jahr erwarteten Gewinns, die des US-Ölkonzerns Chevron hingegen das 17-Fache.

Die Aktien der großen russischen Konzerne wie Gazprom, Yandex oder des weltweit führenden Nickel- und Palladiumförderers Norilsk Nickel sind auch an deutschen Börsen gelistet. Anleger, die nicht auf einzelne Titel setzen, sondern ihr Geld breit über diverse russische Werte streuen wollen, können zu aktiv gemanagten Fonds oder börsennotierten Indexfonds, kurz ETF genannt, greifen. Letztere haben nur geringe Verwaltungsgebühren. „Mit ETF auf russische Aktienindizes wie den MSCI Russia investieren Anleger vor allem in Rohstoffwerte, weil Fördergesellschaften den Großteil der Unternehmen im Land ausmachen“, sagt Hellmeyer. „Wer hingegen vor allem in russische Wachstumswerte aus dem Technologie- und Finanzsektor investieren will, fährt hingegen besser mit aktiv gemanagten Fonds, die diese Aktien übergewichten.“

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