Compliance

Kliniken gehen zu lax mit ihren Risiken um

Ob Abrechnungsfehler, Hygienemängel oder Verstöße gegen Arbeitsrichtlinien - das interne Compliance Management soll Klinikmitarbeitern eine Richtschnur an die Hand geben. Doch die meisten Klinikleitungen versagen bei der Umsetzung - mit Folgen fürs gesamte Haus.

Ilse SchlingensiepenVon Ilse Schlingensiepen Veröffentlicht:
Nur 31 Prozent der Kliniken haben ein funktionierendes Compliance- System.

Nur 31 Prozent der Kliniken haben ein funktionierendes Compliance- System.

© iQoncept / fotolia.com

KÖLN. Die Verantwortlichen in Krankenhäusern messen Compliance-Management-Systemen (CMS) eine hohe Relevanz bei, insbesondere was die Zukunft betrifft. Mit der Umsetzung solcher Systeme im eigenen Haus hapert es dagegen häufig.

Nach einer aktuellen Umfrage hat nur knapp ein Drittel der Kliniken ein CMS implementiert. Das berichtete der Rechtsanwalt Dr. Tobias Weimer von der Kanzlei Weimer Bork Rechtsanwälte aus Bochum beim 12. Krankenhausrechtstag in Düsseldorf.

Seine Kanzlei hat gemeinsam mit Partnern im ersten Quartal dieses Jahres Kliniken online zum Thema befragt. Danach schätzen 61 Prozent der Teilnehmer die Bedeutung von CMS als hoch ein. Was die künftige Bedeutung betrifft, sind es sogar 84 Prozent.

Strafrechtliche Ermittlungen laufen

Allerdings ist erst bei 31 Prozent in den Häusern ein System in Kraft, mit dem sichergestellt werden soll, dass alle Regeln eingehalten werden. "Von ihnen kontrollieren 60 Prozent lückenhaft oder gar nicht, ob das System greift", sagte Weimer.

Eine weitere Erkenntnis: "Die Vorstände wussten nicht, dass sie qua definitionem Compliance-Beauftragte sind." Die vollständigen Ergebnisse werden nach seinen Angaben im Krankenhaus Rating Report 2015 veröffentlicht.

Nach Einschätzung des Fachanwalts für Medizinrecht tun die Verantwortlichen in den Kliniken gut daran, die Bedeutung des Themas nicht zu unterschätzen. "Bei der Compliance braut sich etwas zusammen."

Es gebe bereits strafrechtliche Ermittlungsverfahren gegen Geschäftsführer und leitende Mitarbeiter sowie Schadenersatzklagen gegen ehemalige Geschäftsführer sowie Vorstände wegen mangelhafter oder nicht vorhandener CMS.

"Compliance umfasst alle Maßnahmen, die das regelkonforme und ordnungsgemäße Verhalten der in einem Unternehmen tätigen Organe, Organmitglieder und Mitarbeiter im Hinblick auf gesetzliche, vertragliche und unternehmenseigene Regelungen sicherstellen sollen", erläuterte er.

Im Krankenhaus seien neben dem Thema Korruption unter anderem Bereiche wie die Therapie der Patienten, Abrechnungsfehler oder -betrug, Kooperationen, die Krankenhaushygiene oder die Medizinprodukte-Sicherheit betroffen.

Mitarbeiter als Whistleblower

In solchen Fragen sei das Führungspersonal in der Verantwortung und könne sich nicht auf Ressortverantwortlichkeiten berufen. "Verantwortung kann nicht delegiert werden, ich kann nur Zuständigkeiten delegieren", sagte er.

Der Jurist verwies auf laufende Verfahren zum Vorwurf der fahrlässigen Tötung in einer Notaufnahme wegen Nichteinhaltung des Arbeitszeitgesetzes oder der hundertfachen fahrlässigen Tötung wegen mangelhafter Hygienemaßnahmen. Diese Fälle seien durch Mitarbeiter aus den Häusern an die Öffentlichkeit gekommen.

Nach der aktuellen zivilrechtlichen Rechtsprechung hätten Unternehmen die Pflicht, eine eigene Compliance-Organisation einzurichten und ihre Wirksamkeit zu überprüfen, berichtete Weimer.

"Außerhalb des Gesundheitswesens stellen wir eine Zunahme der Verfahren nach dem Ordnungswidrigkeitengesetz fest."

Seiner Meinung nach sollten sich Klinik-Geschäftsleitungen und -vorstände darauf vorbereiten, dass die Vorschriften des Gesetzes künftig konsequent auch im Gesundheitswesen angewendet werden.

Unter Juristen werde die Frage intensiv diskutiert, inwieweit die Leitungsebene in Kliniken für Hygienefehler haftbar gemacht werden kann, sagte der Medizinrechtler Dr. Maximilian Warntjen von der Kanzlei Diercks und Bohle in Berlin.

Doch dabei bleibt es nicht. "Es geht auch um die Frage der Haftung für Behandlungsfehler von nicht unmittelbar an der Behandlung beteiligten Personen."

Zurzeit gebe es bei Hygieneverstößen eine steigende Zahl zivilrechtlicher Verfahren, während die strafrechtliche Verfolgung noch selten sei.

Angesicht der Diskussion über die Strafbarkeit von "patientenfernen" Entscheidern könne sich das aber ändern, sagte Warntjen.

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