Krankentagegeld - wie viel Arbeit ist erlaubt?

Wer Leistungen von seiner privaten Krankentagegeldversicherung bezieht, sollte bei der Ausübung von Tätigkeiten auf der Hut sein.

Von Emil Brodski Veröffentlicht:

Was sie härter getroffen hat, vermag Kirsten Lehmann (Name geändert) nicht mehr zu sagen. Ob es die Diagnose ihres Arztes Ende 2004 war, dass ihr Meniskus gerissen ist, oder - nach vier Knieoperationen und einer drei Jahre währenden Arbeitsunfähigkeit - das völlig unerwartete Kündigungsschreiben ihrer privaten Krankenversicherung im September 2007 mit der Nachricht, ab sofort kein Krankentagegeld mehr auszubezahlen.

Selbst gestrickte Schals hatten Kündigung zur Folge

Kirsten Lehmann soll, so der Vorwurf, heimlich einer Berufstätigkeit nachgegangen sein und damit den Versicherungsvertrag verletzt haben. Da ihre Versicherung weder zur Präzisierung der angeblichen verbotenen Berufstätigkeit und erst recht nicht zur Rücknahme der Kündigung bereit war, erhob die Dozentin, deren wirtschaftliche Existenzgrundlage bedroht war, gegen die Assekuranz Klage.

Vor dem Landgericht (LG) Köln wurden die Gründe für die Kündigung offenbar: Auf Anraten des Arztes hatte Kerstin Lehmann zur Stärkung ihrer angegriffenen Psyche begonnen, Schals und Stolen zu stricken und diese im Internet anzubieten. In zwei Jahren konnte sie sechs Stück für insgesamt 1650 Euro verkaufen. Dies sei eindeutig als Vertragsverletzung zu werten, so das Versicherungsunternehmen. Das hatte sogar einen Detektiv eingeschaltet hatte, um die Frau zu überführen.

Ist also striktes Nichtstun Voraussetzung, wenn man Leistungen aus der privaten Krankentagegeldversicherung beanspruchen will? Die Frage ist für viele niedergelassene Ärzte von Bedeutung, die über eine solche Police einen krankheitsbedingten Verdienstausfall abfangen wollen. Die Versicherungsbedingungen regeln weitgehend einheitlich, dass eine Arbeitsunfähigkeit, die zum Bezug von Krankentagegeld berechtigt, dann vorliegt, wenn der bisherige Beruf weder ausgeübt werden kann noch wird und wenn keiner anderweitigen Erwerbstätigkeit nachgegangen wird.

Wann jedoch kann von einer anderweitigen Erwerbstätigkeit beziehungsweise einer Berufsausübung gesprochen werden? Das LG Köln entschied in seinem rechtskräftigen Urteil zu Gunsten der Klägerin und präzisierte: Das Stricken der Schals und Stolen könne nicht mit der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit gleichgesetzt werden. Eine solche würde nur dann vorliegen, wenn die Klägerin ihre Tätigkeit in einer die Arbeitsunfähigkeit in Frage stellender Weise ausgeübt oder sich eine Erwerbsquelle geschaffen hätte, mit der sie ihren Lebensunterhalt hätte bestreiten können. Davon kann beim Stricken nicht ausgegangen werden. Auch habe diese Tätigkeit dem Heilungsprozess nicht geschadet.

Niedergelassener darf sich nicht selbst behandeln

Betroffene sollten sich im Klaren sein, dass die Versicherungen bei längeren Erkrankungen ganz genau hinsehen. Zwar räumen die Gerichte den Versicherungsnehmern mehr Spielraum ein als den Assekuranzen lieb ist. So wurden in Urteilen beispielsweise ein gelegentliches Aufsuchen der Büroräume oder vereinzelte Anweisungen vom Krankenbett oder die gelegentliche Erledigung untergeordneter Hilfstätigkeiten als unbedenklich eingestuft. Doch damit sind auch schon die Grenzen der Toleranz erreicht.

Einem erkrankten Chefarzt dagegen, der Besprechungen leitete, wurde diese Tätigkeit von einem Gericht ebenso nachteilig ausgelegt wie einem arbeitsunfähigen niedergelassenen Arzt: Er hatte sich selbst behandelt.

Fazit: Wer Krankentagegeld in Anspruch nimmt und einer Arbeit nachgeht, die den Anschein einer Erwerbstätigkeit erwecken könnte, sollte sich der erheblichen Risiken bewusst sein. Gleiches gilt, wenn etwa Ärzte ihren Patienten aus therapeutischen Gründen zur Aufnahme einer Beschäftigung raten.

Emil Brodski ist Fachanwalt für Medizinrecht in München und Sozius der Kanzlei Brodski und Lehner.

Kein GKV-Krankengeld mehr für Ärzte ab 2009

Niedergelassene Ärzte, die freiwillig Mitglied in der Gesetzlichen Krankenversicherung sind, bekommen ab 2009 kein Krankengeld mehr bezahlt. Ärzte müssen mit dem Wegfall des Anspruchs zwar nur noch den ermäßigten Beitragssatz zahlen. Das Krankengeld ist dann aber extra abzusichern - gegen eine Zusatzprämie. Möglichkeiten für eine Zusatzversicherung sind entweder Wahltarife der Kassen oder eine Krankentagegeld-Versicherung bei einem privaten Versicherungsunternehmen. Der Haken an den GKV-Wahltarifen: Wer über sie sein Krankengeld absichert, ist erst einmal drei Jahre an die jeweilige Kasse gebunden.

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