Digitale Rezeptweiterleitung

Landgericht hat keine Einwände

Willigen Patienten ein, dürfen Ärzte zur Rezept-Bedienung auch mit Apotheken kooperieren - so jedenfalls sieht es das Landgericht Dessau-Roßlau. Die Wettbewerbszentrale ist anderer Meinung und will eine dagegen gerichtete Klage weiterverfolgen.

Christoph WinnatVon Christoph Winnat Veröffentlicht:

DESSAU. Die Weiterleitung von Rezepten an Apotheken bringt Ärzte schnell in den Verdacht berufsrechtlich unzulässiger Zuweisertätigkeit. So etwa sorgte vor zwei Jahren ein Urteil des saarländischen Oberlandesgerichts für Aufsehen, wonach es Ärzten verboten sei, Rezepte an Apotheken zu faxen, die diese dann per Boten beliefern, selbst wenn Patienten dies wünschten (Az.: 1 U 42/13).

Dass sich die Sache auch anders einordnen lässt, zeigt ein kürzlich ergangenes Urteil des Landgerichts Dessau-Roßlau in einem ähnlich gelagerten Fall. Danach darf ein Praxisinhaber unter bestimmten Einwilligungs-Umständen von Patientenseite Rezepte an Apotheken gleich nach Ausstellung weiterleiten. Das Urteil ist allerdings noch nicht rechtskräftig. Die klageführende Wettbewerbszentrale hat Berufung angekündigt.

Patienten wurden beliefert

In dem konkreten Fall war ein Allgemeinarzt aus Sachsen-Anhalt über ein Online-Portal mit zwei regional ansässigen Apotheken vernetzt. Diese konnten unmittelbar nach Ausstellung die Rezeptformulare in ihrer EDV sehen. Die Patienten wurden anschließend von den Apotheken beliefert.

Allerdings konnte der Hausarzt Einwilligungserklärungen der Patienten vorlegen, wonach die kooperierenden Apotheken ausdrücklich mit der Rezeptbedienung beauftragt wurden. Zudem machte er glaubhaft, nicht generell alle Rezepte weiterzuleiten; viele Patienten würden ihre Rezepte nach wie vor selbst einlösen.

Die Wettbewerbszentrale sah darin dennoch einen Wettbewerbsverstoß wegen Verstoßes gegen Paragraf 31 Abs. 2 der sachsen-anhaltinischen Berufsordnung für Ärzte. Dort heißt es wortgleich zur Musterberufsordnung der Bundesärztekammer, Ärzte dürften "nicht ohne hinreichenden Grund bestimmte Ärzte, Apotheken, Heil- und Hilfsmittelerbringer oder sonstige Anbieter gesundheitlicher Leistungen empfehlen oder an diese verweisen".

Einwilligung reicht aus

Das Landgericht wollte die Einschätzung der Wettbewerbszentrale freilich nicht teilen. Die Einwilligungserklärungen der Patienten reichten ihm aus, deren Apotheken-Wahlrecht gewahrt zu sehen. Auch müsse die Bitte um Rezept-Weiterleitung von den Patienten nicht bei jedem Arztbesuch erneuert werden.

Ausdrücklich nahmen die Richter Bezug auch auf das oben angeführte Urteil des OLG Saarbrücken. Der dort entschiedene Fall, bei dem ein Apotheker "in verschiedenen Arztpraxen versucht hat, seine Rezepte einzusammeln" sei in der Sache nicht vergleichbar, heißt es in der Urteilsbegründung. Allein aus der regelmäßigen Rezept-Weiterleitung an die Kooperations-Apotheken sei noch nicht "auf ein organisiertes Zusammenwirken zu schließen", so die Richter weiter.

Selbst einer unerbetenen Apotheken-Empfehlung durch den Hausarzt gaben die Richter grünes Licht. Dafür hinreichende Gründe - wie berufsrechtlich gefordert - seien etwa Versorgungsqualität oder die Vermeidung unnötiger Fußwege für Patienten, die in ihrer Mobilität eingeschränkt seien. Conclusio: "Das Verhalten des Beklagten ist kein Verstoß gegen die Vorschrift der Berufsordnung".

Landgericht Dessau-Roßlau Az.: 3 O 22/15

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