Arabischer Frühling

MedTech-Blume in Nahost blüht im Schatten

In den arabischen Revolutionsländern wird an einer besseren Gesundheitsversorgung gearbeitet - eine Chance für deutsche MedTech-Unternehmen.

Matthias WallenfelsVon Matthias Wallenfels Veröffentlicht:
Ägypten im Zeichen des Umbruchs: Demonstranten auf dem Tahrir-Platz in Kairo. Von der Weltöffentlichkeit nahezu unbeachtet, wandelt sich auch die gesundheitliche Versorgung der Bevölkerung.

Ägypten im Zeichen des Umbruchs: Demonstranten auf dem Tahrir-Platz in Kairo. Von der Weltöffentlichkeit nahezu unbeachtet, wandelt sich auch die gesundheitliche Versorgung der Bevölkerung.

© dpa

NEU-ISENBURG. Seit Dezember 2010 befindet sich die arabische Welt in einer Revolutionsphase, die die Länder des Nahen Ostens teils in instabile politische Zustände geführt hat.

Da die politische Dimension die öffentliche Wahrnehmung der Staaten des Arabischen Frühlings prägt, bleibt oft der Blick auf die wirtschaftliche Entwicklung und medizinische Versorgung der Bevölkerung versperrt.

Die deutsche Außenhandelsagentur Germany Trade & Invest (gtai) hat daher jetzt einen aktuellen Überblick über die Gesundheitswesen der arabischen Welt gegeben, die - bei allen länderindividuellen und -spezifischen Handelsrisiken - viele Exportchancen für deutsche Gesundheitsdienstleister und Medizintechnikunternehmen bietet.

Ägypten: Die Nachfrage nach Medizintechnik wird in dem aktuell wieder von Massenprotesten gezeichneten Ägypten in nahezu allen Teilbereichen weiter steigen, schätzt die gtai.

Demografische Entwicklung, noch niedrige Pro-Kopf-Ausgaben und zunehmende Anforderungen an Breite und Qualität der Dienste bildeten ein positives Umfeld. Die Grundversorgung habe sich verbessert, der weitere Ausbau erfordere hohe Investitionen. Hierzu scheine eine noch stärkere Beteiligung des Privatsektors notwendig zu sein.

Dieser sei für mehrere Projekte auch über öffentlich-private Partnerschaften zur Mitwirkung aufgerufen. Etwa 70 Krankenhäuser sollen laut gtai 2013/14 modernisiert oder neu gebaut werden.

Der Wettbewerb um (öffentliche) Aufträge sei intensiv, Zahlungsverzögerungen angesichts knapper Kassen und Devisen möglich. Die Inlandsproduktion beschränke sich auf Verbrauchsgüter sowie technisch weniger anspruchsvolle Apparate.

Tunesien: Das Land der Jasminrevolution - und damit der Ausgangsstaat des arabischen Bevölkerungsaufstandes - hat sich laut gtai zu einem regional bedeutenden Gesundheitsmarkt gemausert. Ein entwickeltes Gesundheitssystem und Patienten aus dem Ausland sorgten für einen gut laufenden Markt.

Nach dem Sturz des Regimes des Staatsoberhauptes Zine el-Abidine Ben-Ali stehe der Ausbau von Krankenhäusern in den benachteiligten Regionen an. Verstärkte Privatinvestitionen in den Bau neuer Krankenhäuser seien wahrscheinlich, wann das Engagement genau erfolge, sei aber aufgrund der politischen Unsicherheiten nicht absehbar.

Gegenwärtig baue ein japanisches Unternehmen eine Klinik mit 400 Betten. Tunesische Krankenhausbetreiber würden wiederum beim Wiederaufbau des Gesundheitssektors im Post-Gaddafi-Libyen mitmischen können. China habe angekündigt, den Bau einer Universitätsklinik in der tunesischen Küstenstadt Sfax finanziell zu unterstützen.

Algerien: In Algerien ist nach Ansicht der gtai-Experten vor allem im kleinen privaten Gesundheitssektor eine hohe Dynamik zu verzeichnen. Vor dem Hintergrund eines großen Nachholbedarfs entstünden neue Privatpraxen und -kliniken, die mit moderner Medizintechnik ausgerüstet würden.

Aus diesem Grund sei bei den Medizintechnik-Importen für 2013 und 2014 mit Steigerungsraten im zweistelligen Bereich zu rechnen.

Im algerischen Haushalt 2013 sei für den medizinischen Sektor ein Budget von umgerechnet 2,9 Milliarden Euro eingeplant - 900.000 Euro davon für laufende sowie neue Investitionen.

Im Falle einer erfolgreichen Beschleunigung des staatlichen Krankenhausbaus werde es vor allem darum gehen, teilweise seit Jahren brachliegende Projekte zu revitalisieren, so die gtai.

Marokko: Die neue marokkanische Regierung fokussiert laut gtai die Verbesserung der bis Ende der 1990er-Jahre vernachlässigten Gesundheitsversorgung. Im Haushalt 2013 seien dem Gesundheitssektor umgerechnet etwas über 260 Millionen Euro zugewiesen.

Vor dem Hintergrund von Einsparmaßnahmen sei es aber unwahrscheinlich, dass das Geld tatsächlich in diesem Jahr komplett ausgegeben wird.

Der geplante Bau neuer Großkliniken werde sich voraussichtlich verzögern. Weitere Maßnahmen hinsichtlich eines verbesserten Zugangs der ländlichen Bevölkerung zum Gesundheitssystem seien jedoch zu erwarten.

Finanziert durch das Emirat Abu Dhabi sei ein Krankenhaus in Casablanca im Bau. Der Projektwert belaufe sich auf 100 Millionen US-Dollar (rund 75 Millionen Euro).

Libyen: Das libysche Gesundheitswesen wurde während der Revolution und den Sturz von Staatschef Muammar al-Gaddafi durch die Folgen der Kampfhandlungen überrollt. Das Gesundheitssystem war auch schon vor 2011 im Umbruch.

Mit dieser Einschätzung liegen die gtai-Experten im Einklang den Spezialisten des Nah- und Mittelost-Vereins. Wie sich der Sektor entwickeln wird, war Mitte 2013 noch offen. Der Privatsektor sei bis zur Revolution auf dem Vormarsch gewesen - allerdings noch auf niedrigem Niveau.

Der libysche Staat habe mit einem zumindest theoretisch umfassenden und kostenlosen Angebot für die Gesamtbevölkerung dominiert. Die Aufweichung des Systems mit privaten Praxen und Kliniken sei aber schon im Gang gewesen.

Es sei weiter mit einer Zunahme privater Einrichtungen zu rechnen. Große Investitionen würden auch künftig die staatlichen Einrichtungen tätigen, die von den Zuweisungen des Gesundheitsministeriums abhängig sind.

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