Muss der Fiskus die Kosten für Sitzübernahme anerkennen?

Praxisnachfolger können Aufwendungen für den Praxiswert steuerlich abschreiben. Das hat jetzt der Bundesfinanzhof in einem bislang nicht rechtskräftigen Gerichtsbeschluss klargestellt.

Von Dietmar Sedlaczek Veröffentlicht:
Bundesfinanzhof in München: Auch der immaterielle Praxiswert zählt bei der Steuer.

Bundesfinanzhof in München: Auch der immaterielle Praxiswert zählt bei der Steuer.

© dpa

Update vom 3.06.2011

BERLIN. Der für den immateriellen Praxiswert gezahlte Kaufpreis kann vollständig steuerlich abgeschrieben werden. Dies hat der Bundesfinanzhof (BFH) in einem noch nicht rechtskräftigen Gerichtsbeschluss entschieden.

Eine Aufteilung des für den immateriellen Praxiswert gezahlten Kaufpreises in einen abschreibungsfähigen Betrag für den immateriellen Praxiswert und einen nicht abschreibungsfähigen Betrag für den Vertragsarztsitz sei nicht vorzunehmen. Dies gelte zumindest, wenn eine vollständige Praxis verkauft werde, so das Gericht.

Der BFH führt im Detail aus, dass grundsätzlich abschreibungsfähige Wirtschaftsgüter dann gegeben seien, wenn diese selbstständig bewertbar und eigenständig verkehrsfähig sind.

Basierend auf einer langen Rechtsprechungstradition der Finanzgerichte definiert der BFH den käuflich erworbenen Praxiswert als abnutzbares, immaterielles Wirtschaftsgut. Dies gelte für den gesamten Praxiswert, eine Aufteilung des Wertes in einen abschreibungsfähigen und einen nicht abschreibungsfähigen Teil für die Zulassung scheide aus.

Da der Erwerber einer Praxis die besonderen persönlichen Voraussetzungen einer Vertragsarztzulassung in Person erfüllen muss, kann der Vertragsarztsitz nicht einfach so verkauft werden, vielmehr entscheidet der Zulassungsausschuss.

Zwar könne der abgebende Vertragsarzt beim Zulassungsausschuss beantragen, dass der von ihm ausgewählte Bewerber zugelassen wird. Über das Antragsrecht hinaus hat der Zulassungsausschuss aber andere Kriterien wie das Approbationsalter, Fortbildungsstatus, Zusatzbezeichnungen und berufliche Erfahrung zu berücksichtigen.

Die auf Basis der gesetzlich festgelegten Kriterien zu treffende Entscheidung des Zulassungsausschusses könne durch den Verkäufer nicht in der Form beeinflusst werden, dass tatsächlich die Vertragsarztzulassung verkauft werden kann, so der BFH.

Soweit einzelne Oberfinanzdirektionen (OFD Münster, Februar 2009 S 2172 - 152 - St 12-33) eine andere Auffassung vertreten hätten, sei dieser nicht zu folgen.

Zwar spreche für die Auffassung der OFD, dass die Zulassung eine Art Marktzugangsregelung sei, die genannten Gesichtspunkte, die gegen eine gesonderte Verkehrsfähigkeit der Zulassung sprächen, überwögen aber bei weitem. Letztendlich sei auch zu berücksichtigen, dass mit der Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung auch eine Behandlungspflicht einhergehe.

Ausdrücklich abgegrenzt hat der BFH sein Urteil von den Fällen, in denen nicht eine ganze Praxis sonder nur eine Vertragsarztzulassung verkauft wird. Losgelöst von den zulassungsrechtlichen Bedenken - der Verkauf einer Zulassung isoliert ohne Praxis ist unzulässig - geht der BFH für steuerliche Gesichtspunkte davon aus, dass in solchen Fällen unter Umständen eine andere Beurteilung geboten ist.

Dem vorliegenden Fall lag ein Urteil des Rheinlandpfälzischen Finanzgerichts zugrunde (Az.: 2 K 2649/07). Der BFH grenzt sich ausdrücklich von einem Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts (Az.: 13 K 412/01) ab, dem ein reiner Zulassungskauf zugrunde lag.

Az.: VIII IR 13/08

Zur Person: Dietmar Sedlaczek ist Steueranwalt und betreibt eine Kanzlei für Medizin- und Steuerrecht in Berlin.

Auf den Verkaufspreis kommt es an

Erwerber einer vollständigen Praxis können unter Berufung auf das oben genannte Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) den vollständigen Kaufpreis für die Praxis steuerlich abschreiben. Für die Praxisverkäufer heißt das, dass sie potenziell einen höheren Verkaufspreis für ihre Praxis realisieren können, da dem Käufer das steuerliche Abschreibungsvolumen zur Verfügung steht. Weiter zittern müssen die Käufer einer reinen Zulassung. Kommt das Finanzamt zu dem Schluss, dass keine vollständige Praxis, sondern nur eine Zulassung "gekauft" worden ist, besteht weiter die Gefahr, dass die Finanzverwaltung unter Berufung auf ein Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts die Abschreibung des Kaufpreises nicht zulässt. Es bleibt abzuwarten, ob ein solcher Fall noch zum BFH gelangt. Gegen die Entscheidung des Niedersächsischen Finanzgerichts ist offensichtlich keine Revision eingelegt worden.

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