"No-Shows" bestrafen

Patienten für versäumte Termine zur Kasse bitten?

Im Streit um mehr Sprechstundenzeit für Kassenpatienten – Stichwort TSVG – kommt eine alte Forderung wieder auf den Tisch: Strafgebühren für versäumte Termine. Die KV Nordrhein kann der Idee etwas abgewinnen. Doch wie sieht das überhaupt rechtlich aus?

Von Christian Bellmann Veröffentlicht:
Und, wo isser? Bei vollem Wartezimmer fällt ein versäumter Termin vermutlich weniger ins Gewicht.

Und, wo isser? Bei vollem Wartezimmer fällt ein versäumter Termin vermutlich weniger ins Gewicht.

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KÖLN. Der NAV-Virchow-Bund hält es für gerechtfertigt, dass niedergelassene Ärzte Patienten eine Gebühr berechnen, wenn diese ohne Absage zu Terminen nicht erscheinen. Es sei unsolidarisch, sich die Freiheit zu nehmen und Arzttermine unentschuldigt zu versäumen, verbreitete der NAV-Bundesvorsitzende Dr. Dirk Heinrich am Donnerstag über den Kurznachrichtendienst Twitter. 40 Euro seien dafür eine angemessene Gebühr.

Heinrich reagierte damit auf Medienberichte über Ärzte, die Patienten für unentschuldigtes Nichterscheinen finanziell belangen. „Wir sind sehr für eine Ausfallgebühr, insbesondere wenn Untersuchungstermine bei Bestellpraxen versäumt werden“, sagte Heinrich der „Ärzte Zeitung“. Den Praxen entstehe dadurch ein echter wirtschaftlicher Schaden. „Mit dem Signal einer solchen Gebühr setzen wir auf den Lernerfolg bei Patienten.“

Patienten für Terminservicestellen sperren?

Heinrich wiederholte seine Forderung, die Regeln bei den Terminservicestellen zu verschärfen: Patienten, die sich einen Termin vermitteln lassen und dann unentschuldigt fernbleiben, sollen für einen bestimmten Zeitraum für das System gesperrt werden. „Wer sich unsolidarisch verhält, indem er einen vereinbarten Termin schwänzt, muss mit Konsequenzen rechnen.“

Die Terminservicestelle der KV Nordrhein hat 2018 nach eigenen Angaben 21.039 Termine vergeben, rund 15 Prozent davon wurden nicht wahrgenommen. Die KV kritisiert, dass Patienten immer öfter Termine bei mehreren Ärzten parallel anfragen und die dann nicht mehr benötigten ohne Absage verfallen lassen.

Und wie sieht die rechtliche Seite einer Gebühr für unentschuldigtes Fernbleiben vom Arzttermin aus? Die Gerichte entschieden dazu bislang uneinheitlich, wie die Verbraucherzentrale NRW kürzlich berichtete. Der Aachener Rechtsanwalt Thomas Oedekoven beurteilt die Sache kritisch: „Ärzte haben für die Erhebung eines Ausgleichshonorars keine gesetzliche Anspruchsgrundlage“.

Der Behandlungsvertrag sei ein Dienstvertrag, den der Patient jederzeit aufheben könne. Der Arzt könne zwar Schadenersatz bei versäumtem Termin fordern. „Die Frage ist aber, ob tatsächlich ein messbarer Schaden entstanden ist“, so Oedekoven. Das sei oft nicht der Fall.

Unklarer Nutzen einer Strafvereinbarung

Einige Ärzte ließen Patienten vor einer Behandlung ein Formular unterschreiben, mit dem diese sich zur Zahlung einer Pauschale verpflichten, sollten sie einem Termin ohne Absage versäumen. „Dabei handelt es sich um den Versuch, einen vertraglichen Anspruch auf ein Ausfallhonorar über Allgemeine Geschäftsbedingungen zu konstruieren“, so Oedekoven.

Die AGB müssten aber bestimmte Kriterien erfüllen und wirksam vereinbart werden. Andernfalls könnten sie den Patienten unangemessen benachteiligen. So müsse der Patient eine Entlastungsmöglichkeit haben, etwa wenn er den Termin aufgrund einer Erkrankung nicht wahrnehmen kann, erläutert der Anwalt.

Zudem müsse der Arzt dem Patienten die Möglichkeit einräumen, nachzuweisen, dass der Schaden geringer ausgefallen ist als angegeben. Inwieweit es realistisch ist, dass der Patient diesen Nachweis erbringen kann, spielt für die Wirksamkeit der AGB zunächst keine Rolle.

KV will Rechtssicherheit

Die KVNo hält mehr Rechtsklarheit für nötig: „Es bräuchte bundesweit eine einheitliche und rechtlich eindeutige Grundlage für Vertragsärzte, sich im Falle von nicht wahrgenommenen Terminen etwaig entstandene Kosten vom Patienten erstatten zu lassen“.

Ein höchstrichterliches Urteil gibt es bislang nicht. „Dazu dürfte es auch nicht kommen“, vermutet die Berliner Fachanwältin für Medizinrecht Annett Sterrer. Die bisherigen Urteile waren aufgrund zu geringer Streitwerte in der Regel nicht von der nächsten Instanz zu überprüfen.

Laut Zivilprozessordnung ist eine Berufung erst ab einem Streitwert über 600 Euro zulässig. Die Verfahren blieben daher zwangsläufig bei den Amtsgerichten hängen, so Sterrer. „Zudem müsste es sich schon um eine Rechtsfrage von allgemeiner Bedeutung handeln, damit sich höhere Gerichte mit dem Thema befassen“, ergänzt der Medizinrechtler Oedekoven „Das sehe ich hier nicht gegeben.“

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