Versorgung

Praxiskliniken – von schlanken Strukturen profitieren

Für Patienten, die ambulant operiert und höchstens kurze Zeit stationär bleiben müssen, sind Praxiskliniken eine gute Alternative zum Krankenhaus. Das zeigt das Beispiel einer Praxisklinik in Solingen.

Ilse SchlingensiepenVon Ilse Schlingensiepen Veröffentlicht:
Rund 7300 Patienten werden in der Praxisklinik im Südpark in Solingen jährlich ambulant operiert.

Rund 7300 Patienten werden in der Praxisklinik im Südpark in Solingen jährlich ambulant operiert.

© Ilse Schlingensiepen

SOLINGEN. Wenn man die Patienten fragen würde, wären Praxiskliniken längst ein fester Bestandteil des deutschen Gesundheitswesens, glaubt Jascha Rinke, Geschäftsführender Gesellschafter der Praxisklinik im Südpark in Solingen. "Praxiskliniken sind in vielen Fällen eine gute Alternative zur Krankenhausversorgung", sagt er der "Ärzte Zeitung". Denn sie verbinden die Vorteile aus der ambulanten und der stationären Versorgung.

In der Praxisklinik im Südpark operieren die Ärzte pro Jahr rund 7300 Patienten ambulant, 1200 werden stationär versorgt. Rund die Hälfte sind klassische ambulante Operationen, die andere Hälfte stationsersetzende Eingriffe. 90 Prozent der Patienten sind gesetzlich versichert. Grundlage für die Versorgung der GKV-Patienten sind Selektivverträge nach Paragraf 140a SGB V. "Wir haben Verträge zur besonderen Versorgung mit fast allen Krankenkassen", berichtet Rinke.

Die Praxisklinik ist 2012 aus dem ambulanten OP-Zentrum in Solingen hervorgegangen. Gesellschafter sind fünf Anästhesisten und der Gesundheitsökonom Rinke. Die Anästhesisten betreiben gleichzeitig eine anästhesiologische überörtliche Berufsausübungsgemeinschaft. "Die ärztlichen Leistungen der Praxisklinik sind abgekoppelt vom Management", sagt der Anästhesist Achim Bertram, einer der Gründer.

Die Praxisklinik steht anderen Operateuren offen. Sie können neben den Räumlichkeiten sämtliche Geräte, das speziell ausgebildete Personal und die Organisation nutzen. Dafür zahlen die kooperierenden Ärzte eine Gebühr. "Wir sehen uns als klassischer Dienstleister und stellen aus privater Hand sämtliche Ressourcen zur Verfügung", erklärt Bertram.

17 Minuten Wartezeit auf Op

Die Patienten werden in der Praxisklinik vom Vorgespräch über die Operation bis zur Nachbetreuung in einem modernen Ambiente versorgt. Meistens können sie das Haus nach drei bis vier Stunden wieder verlassen. Ist das nicht möglich, stehen für die kurzstationäre Versorgung 13 Betten zur Verfügung, verteilt auf ein Dreibettzimmer, vier Zweibettzimmer und zwei Einbettzimmer. "Wir versuchen, das Dreibettzimmer möglichst nicht zu belegen", sagt Bertram.

Hinzu kommt ein Reservebett für Notfallpatienten, die nicht entlassungsfähig sind. "Wir haben öfters Patienten, die ambulant geplant sind, die wir dann wegen Schmerzen oder Übelkeit und Erbrechen dann doch nicht entlassen können." Die stationäre Verweildauer beträgt im Schnitt 1,9 Tage. "Die Wartezeit auf die Operation liegt bei 17 Minuten." Auf den Op-Termin beim behandelnden Facharzt müssen die Patienten meistens nicht länger als eine Woche warten.

Rechnet sich das denn für die Betreiber? "Das, was wir aufrechterhalten, ist ohne die Sonderverträge nicht möglich", betont Rinke. Würde die Praxisklinik nur die normale GKV-Finanzierung erhalten, müssten die Betreiber rund die Hälfte des Personals entlassen und sich auf eine Schmalspur-Medizin beschränken, schätzt er. Die Klinik hat zurzeit rund 100 Angestellte im ärztlichen, pflegerischen und Verwaltungsbereich, inklusive 450 Euro-Kräfte.

Die Betreiber haben bislang einen "hoch siebenstelligen" Betrag in die Praxisklinik gesteckt, berichtet Rinke. "Das ist mit der reinen Vergütung nach EBM nicht darstellbar." Über den wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens will er sich nicht detailliert äußern.

Privatversicherer sparen Geld

Bei den Privatpatienten schlägt sich positiv nieder, dass die Einrichtung als Privatklinik einen erhöhten Basisfallwert ansetzen kann, weil sie nicht dual finanziert wird. "Die Privatversicherer profitieren davon, dass wir unterhalb der Grenzverweildauer entlassen und die entsprechenden Abschläge erhalten", sagt Bertram.

Bezahlt machen sich in der Praxisklinik am Südpark aber vor allem die effizienten Strukturen, betonen die Betreiber. "Wir haben das Gebäude um die Prozesse herum gebaut", sagt Bertram. Die Wege im Haus sind kurz. Da es sich in der Regel um die Versorgung von elektiven Patienten handelt, lassen sich die Abläufe sehr gut organisieren.

Der Anästhesist nennt die Kniearthrose als Beispiel. "Es werden zuerst die Patienten am rechten Knie operiert, dann die am linken Knie, damit man die Tische nicht mehr drehen muss." Die Wechselzeiten zwischen den Operationen betragen regelhaft zehn Minuten. Das Haus basiert auf einem Zweischichtsystem, zwischen 8 Uhr und 20 Uhr wird in vier Operationssälen operiert.

Das hat aber nichts mit Fließbandabfertigung zu tun. Der gute Service und die Wahrung der Privatsphäre spielten eine große Rolle, sagt Rinke. "Eine wichtige Säule bei uns ist die Patientenzentriertheit." Die Ärzte haben nach Angaben von Bertram ein gutes Verhältnis zu den niedergelassenen Kollegen.

Zum Teil sind sie Mitglied des Solinger Ärztenetzes Solimed. Mit dem Klinikum Solingen hat die Praxisklinik eine Kooperation vereinbart: Ärzte aus dem Krankenhaus operieren in der Praxisklinik Patienten ambulant und kurzstationär.

Das ist die generelle Richtung, in die es nach Einschätzung der beiden Geschäftsführer gehen muss: Die Krankenhäuser werden vor allem für die Versorgung von schwerkranken Patienten zuständig, für die meisten anderen sind schlanke Strukturen wie in Praxiskliniken sinnvoller. Das Konzept der Praxisklinik macht nach Überzeugung von Bertram nicht nur in den operativen Fächern Sinn. "Es funktioniert auch in anderen Bereichen wie der Psychiatrie und der Kardiologie."

Damit Praxiskliniken ihr Potenzial entfalten können, brauchen sie ein gesichertes Fundament. Und daran hapert es seit Jahren. Sie haben zwar ihren Platz im Sozialgesetzbuch V (Paragrafen 115 und 122). Aber an den dafür notwendigen Verträgen sind die Einrichtungen selbst nicht beteiligt, sondern sie müssen zwischen Krankenkassen, KVen und Landeskrankenhausgesellschaften ausgehandelt werden. Das hat dazu geführt, dass die Praxiskliniken bis heute keinen Anspruch auf Verträge mit den Kassen haben, sondern weiter auf Selektivverträge setzen müssen.

Aufklärungskampagne gestartet

Bertram, Rinke und ihre Kollegen setzen sich dafür ein, dass sich an dieser Situation etwas ändert. Die Praxisklinik im Südpark ist Gründungsmitglied der Deutschen Praxisklinikgesellschaft und hat die nordrhein-westfälische Initiative "WasisteinePraxisklinik.de" mit auf den Weg gebracht.

Bei "WasisteinePraxisklinik.de" geht es darum, das Konzept der Praxisklinik einer breiteren Öffentlichkeit bekannt zu machen, erläutert Rinke. "Wir wollen den Patienten und Versicherten klar machen, dass es eine Alternative zu den Krankenhäusern gibt."

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