Impflücken schließen

Recall statt Impfpflicht

In der Debatte um die Impfpflicht wurden sie bislang völlig vernachlässigt: die Praxisteams. Dabei müssten sie nur an ein paar organisatorischen Stellschrauben drehen und schon ließen sich Impflücken deutlich reduzieren. Und zusätzliches Honorar würde es den Praxen auch noch bringen.

Rebekka HöhlVon Rebekka Höhl Veröffentlicht:
Wertvoller Piks: Die Impfung schützt Patienten zum Beispiel vor Masern. Zugleich bringt sie als extrabudgetäre Leistung zusätzliches Honorar in die Praxis.

Wertvoller Piks: Die Impfung schützt Patienten zum Beispiel vor Masern. Zugleich bringt sie als extrabudgetäre Leistung zusätzliches Honorar in die Praxis.

© iStockphoto/Getty Images

NEU-ISENBURG. Seit Wochen beschäftigt die Bundesrepublik eine Infektionskrankheit: die Masern.

Weil die Durchimpfraten hier so schlecht sind und Deutschland wohl nicht das vor etlichen Jahren selbst mit gesteckte WHO-Ziel, bis 2015 die Masern bundesweit zu eliminieren, erreichen wird, spricht Gesundheitsminister Daniel Bahr als letztes Mittel sogar von einer Impfpflicht.

An anderen Stellen - etwa in Bayern - war schon die Rede davon, mehr Geld in den Gesundheitsdienst zu stecken.

Einen ganz wichtigen Partner beim Thema Impfen und vor allem bei der Frage, wie sich künftig höhere Impfquoten erreichen lassen, wurde aber bislang meist außer Acht gelassen: die Arztpraxis.

Gerade die Haus- und Kinderärzte können hier einen erheblichen Beitrag dazu leisten, die Impfquoten zu erhöhen. Sie müssen dazu nur an ein paar organisatorischen Stellschrauben drehen und können dabei sogar noch außerbudgetäres Zusatzhonorar generieren.

Denn das Problem liegt ja nicht nur bei den Masern. Wie die Ergebnisse der Studie zur Gesundheit Erwachsener in Deutschland (DEGS1), die die Abteilung für Epidemiologie und Gesundheitsmonitoring am RKI durchgeführt hat (Bundesgesundheitsblatt 56 (5-6): 845-857), zeigt, haben 28,6 Prozent der Bevölkerung in den letzten zehn Jahren keine Tetanusimpfung und 42,9 Prozent keine Diphtherieimpfung erhalten.

Gerade einmal 11,8 Prozent der Frauen und 9,4 Prozent der Männer in den alten Bundesländern seien zudem innerhalb der letzten zehn Jahre gegen Pertussis geimpft worden; in den neuen Bundesländern sie die Durchimpfrate zumindest doppelt so hoch.

Hinweis aus der Praxis zählt mehr

Zwar sind die Impfquoten laut der Studie besser als noch vor zehn Jahren im "Bundes-Gesundheitssurvey 1998". Es tut sich also etwas in Sachen Impfen, aber viele Deutsche verdrängen ihren Impfstatus schlicht im Alltag.

Da braucht es eine gezielte Ansprache - und die kann am sinnvollsten über die Praxen stattfinden. Denn zu ihrem Hausarzt haben die meisten Patienten ein besonderes Vertrauensverhältnis - kommt ein Impfhinweis vom Arzt oder Praxisteam wird er daher auch eher wahrgenommen als allgemeine Impfkampagnen.

Doch wie lässt sich das Aufspüren von Impflücken auch noch in den stressigen Praxisalltag integrieren? Das Stichwort lautet hier Delegation - und zwar nicht nur an die Medizinischen Fachangestellten (MFA), sondern auch an die Praxis-EDV.

Die gängigen Arztsoftware-Systeme verfügen über eine sogenannte Recall-Funktion. Also die Möglichkeit, allgemeine Erinnerungsschreiben an Vorsorge- und eben auch Impftermine zu erstellen.

Das Verfahren läuft nahezu per Knopfdruck ab. Die EDV ermöglicht es, sogenannte Recall-Listen zu erstellen. Die Listen spüren nach festgelegten Kriterien - etwa Diagnosecodes, Patientenalter oder Abrechnungsziffern - genau die Patienten auf, die für einen Recall infrage kommen.

Beim Thema Impfen kann sich die Praxis etwa so alle Patienten heraussuchen lassen, die die letzten zehn Jahre nicht zur Impfung in der Praxis waren.

Impfpasskontrolle als Zusatzservice für Patienten

Aus der Liste heraus können dann, ebenfalls per Knopfdruck, Serienbriefe generiert werden. Ein gutes System hinterlegt im Anschluss automatisch in der elektronischen Karteikarte, dass der Patient angeschrieben wurde.

Zusätzlich müssen aber die MFA eingespannt werden. An sie können die Praxischefs die Aufgabe delegieren, Patienten regelmäßig nach dem Impfpass zu fragen bzw. diesen als Service eine Impfpasskontrolle anzubieten.

So lässt sich dann auch die elektronische Patientenakte selbst bei Patienten, die nicht so häufig die Praxis aufsuchen, in Sachen Impfstatus aktuell halten.

Damit die Patienten aber auch das Gefühl haben, die Praxis kümmert sich wirklich um sie persönlich, ist noch ein kleiner Marketingtrick hilfreich: Für die Serienbriefe - die übrigens auch per E-Mail versendet werden können - lassen sich in der EDV Textbausteine hinterlegen, die speziell auf verschiedene Patientengruppen zugeschnitten sind.

Die Ansprache bei jüngeren Patienten bzw. Teenagern ist nun einmal eine andere als bei Senioren. Vielfach lässt sich auch mit einfachen Befehlsketten nicht nur bei der Anrede, sondern auch im Fließtext noch einmal der Name des Patienten einstreuen - das macht das Schreiben persönlicher.

Hier lohnt es sich, beim jeweiligen EDV-Anbieter einmal nachzuhorchen, was die Praxissoftware alles kann.

Diese rechtlichen Spielregeln sollten beachtet werden

Bevor die Praxis loslegt, sollte sie sich jedoch unbedingt das Einverständnis des Patienten einholen. Prinzipiell sind Erinnerungsschreiben an Vorsorge- und Impftermine Arztpraxen zwar erlaubt. Doch wie so oft gibt es ein paar rechtliche Auflagen für die Praxen.

Die Wichtigste: Der Patient muss jedweder Terminerinnerung - also auch dem Impf-Recallschreiben - vorher zugestimmt haben. Ansonsten könnte er sich gemäß Paragraf 7 UWG (Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb) belästigt fühlen.

Zwar stellt das UWG hauptsächlich auf Erinnerungen per Telefon und elektronische Medien ab. Aber da für Ärzte generell strenge Werberegeln gelten, sollten sie auch vor dem Erinnerungsschreiben per Post eine Einwilligungserklärung beim Patienten einholen - und dies aus Beweisgründen schriftlich.

Am einfachsten geht das bei neuen Patienten: Diese kann das Praxisteam schon beim Ausfüllen des Anamnesebogens auf die Einwilligung für den Termin-Erinnerungsservice hinweisen.

Es darf hierbei aber kein Druck auf den Patienten ausgeübt werden, die Einwilligung muss freiwillig bleiben und sie muss auch jederzeit beim Praxisteam widerrufbar sein.

Am besten ist ein Einwilligungsbogen, auf dem der Patient ankreuzen kann, über welche Wege (Post, Mail, SMS, Telefon) und an was (feste Arzttermine, Vorsorgeuntersuchungen etc.) die Praxis ihn erinnern darf.

Außerdem sollte direkt in der elektronischen Patientenakte hinterlegt werden, ob eine Einwilligung vorliegt. Dann lassen sich Patienten, die keinen Erinnerungsservice wünschen, schon von vornherein herausfiltern.

Für die Formulierung der Recall-Nachricht ist zudem wichtig: Geht es nicht um einen bereits fest reservierten Termin, darf die Praxis nur allgemein an die Impfung erinnern, dem Patienten aber nicht nahelegen, in ihre Praxis zu kommen.

Recall erhöht den Praxisumsatz und hilft bei der QM-Pflicht

Der Impf-Recall kann aber nicht nur helfen, die Impfquoten bei den Patienten zu verbessern. Für die Arztpraxis kann er Mehrumsatz in nicht zu verachtender Höhe bringen. Denn die Impfleistungen werden außerbudgetär vergütet.

Es gibt also für jede erbrachte Leistung in jedem Fall das volle Honorar. Dabei müssen die Praxen die speziellen Impfziffern ihrer jeweiligen KV beachten. Jede KV schließt mit den Kassen vor Ort eine eigene Impfvereinbarung ab.

Es handelt sich für die einzelnen Impfungen aber in der Regel um eine fünfstellige Ziffer, die mit den Nummern 89 beginnt.

Für die Impfstoffe muss - bei den Standardimpfungen - nicht der Patient in Vorkasse treten, wie es etwa bei Reiseimpfungen der Fall ist, die im Nachhinein von den Kassen zum Teil erstattet werden. Die Praxis bezieht ihren Impfstoff in diesem Fall über den Sprechstundenbedarf.

Der Impf-Recall hilft den Praxisteams aber auch beim Qualitätsmanagement. Nach der GBA-Richtlinie zum praxisinternen QM müssen die Praxen regelmäßig QM-Ziele benennen und nachweisen, dass sie kontinuierlich an der Verbesserung der Praxisprozesse arbeiten.

Das Erreichen einer bestimmten Impfquote in der Praxis kann ein solches QM-Ziel sein - das außerdem noch relativ einfach messbar ist. Und der Recall wäre eine Maßnahme, dieses QM-Ziel zu erreichen.

Das alles kurz zusammengefasst und schon hat die Praxis einen Nachweis für gelebtes Qualitätsmanagement.

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