KV Bayerns

Regressbasis wohl stark verzerrt

Selektivverträge, aber auch Intensivbehandlungen verzerren die Daten für die Wirtschaftlichkeitsprüfung. Die KV Bayerns fordert deshalb eine Totalrevision der gegenwärtigen Praxis.

Von Jürgen Stoschek Veröffentlicht:

MÜNCHEN. Die Wirtschaftlichkeitsprüfung auf der Basis des Fachgruppendurchschnitts ist nach Ansicht der KV Bayerns (KVB) rechtswidrig.

Mit großer Mehrheit hat die Vertreterversammlung deshalb die Prüfärzte in Bayern jetzt "gebeten", ihre Mitwirkung an diesen Prüfungen einzustellen.

Zumal nicht absehbar sei, welche Folgen es für die Prüfärzte hat, wenn Regresse auf einer nicht rechtskonformen Grundlage ausgesprochen werden, hieß es.

Eine interne Analyse der Wirtschaftlichkeitsprüfungen im hausärztlichen Bereich habe gezeigt, "dass die falschen Praxen und die falschen Verordner in die Prüfung geraten", erklärte KVB-Vorsitzender Dr. Wolfgang Krombholz.

Dafür gebe es mehrere Gründe: Je höher der Anteil an Patienten, die in einen Hausarztvertrag eingeschrieben sind, um so niedriger sei der Fallkostenwert der Praxis, da der Selektivanteil nicht geprüft wird, erläuterte Krombholz.

Auch die unterschiedlichen Einschreibequoten würden nicht berücksichtigt. Hinzu komme, dass Praxen, die nur wenige Verdünnerfälle haben, eher in die Prüfung kommen.

Nur noch Generikaanteil vergleichen

Ferner stelle eine überdurchschnittliche Versorgungstiefe für eine Hausarztpraxis ein erhebliches Risiko dar, in die Wirtschaftlichkeitsprüfung zu kommen.

"Praxen, die mehr als andere verordnen wollen oder müssen, kommen eher in einen Regress, da sie mit Praxen verglichen werden, die nur wenig verordnen und das anderen überlassen", erklärte Krombholz. So hätten im vierten Quartal 2011 fast alle geprüften Ärzte eine überdurchschnittliche Verordnungstiefe.

Vorschläge der KVB für eine neue Form der Wirtschaftlichkeitsprüfung, die auf die Auswahl und die Menge des Wirkstoffs im jeweiligen Anwendungsgebiet abstellt, seien bei den Kassen bislang zumindest grundsätzlich nicht auf Ablehnung gestoßen, berichtete Krombholz.

Nach den Vorstellungen der KVB sollte bei der Wirtschaftlichkeitsprüfung künftig nur noch der Generikaanteil verglichen und die Menge auf der Grundlage der durchschnittlichen Tagesdosis eines Medikaments in der Hauptindikation geprüft werden, erläuterte Arzneimittelexperte Johann Fischaleck.

"In der neuen Wirtschaftlichkeitsprüfung spielt der Preis keine Rolle," sagte Fischaleck. Eine Simulationsrechnung habe gezeigt, dass dann statt knapp 1000 Hausärzte nur noch 170 in eine Prüfung kämen.

Nicht am Patienten sparen

"Das hört sich nach einem Befreiungsschlag an", kommentierte Dr. Oliver Abbushi, Hausarzt in Deisenhofen, das neue Prüfkonzept. "Wir haben schon immer das Gefühl gehabt, dass dieses System der Wirtschaftlichkeitsprüfung ungerecht ist", sagte der Erlanger Hausarzt Dr. Markus Beier.

Und Dr. Petra Reis-Berkowicz, Hausärztin in Gefrees und Vorsitzende der Vertreterversammlung erklärte, "das Revolutionäre an dem Konzept ist, dass wir den Versorgungsbedarf des Patienten zugrunde legen". Es werde nicht am Patienten gespart.

In einem mit großer Mehrheit beschlossenen Antrag beauftragte die Vertreterversammlung den Vorstand der KVB bei den Verhandlungen mit den Kassen über eine neue Prüf- und Arzneimittelvereinbarung mit Nachdruck darauf hinzu wirken, dass die Ärzte unter Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebotes bei jeder chronischen Medikation künftig aut idem ankreuzen sollen.

Die derzeitige Regelung, bei der der Apotheker über die Abgabe eines Präparates entscheidet, führe vor allem bei älteren Patienten zu erheblicher Verunsicherung und zu Irrtümern, begründete Dr. Wolfgang Hoppenthaller, Hausarzt in Siegenburg, seinen Antrag.

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