Die Schriftform zählt

Regressfalle Telefon

Ärzte sollten sich nicht auf eine telefonische Zusage der Kasse verlassen, wenn sie Arzneien außerhalb des GKV-Spektrums verordnen wollen. Der Vertrauensschutz für Ärzte, nicht in Regress genommen zu werden, ist unsicher.

Veröffentlicht:
Gibt die Kasse telefonisch das Okay für den Off-Label-Use, so sollten Ärzte noch eine schriftliche Bestätigung einfordern, bevor sie die Arznei rezeptieren. Das schützt vor einem späteren Arzneiregress.

Gibt die Kasse telefonisch das Okay für den Off-Label-Use, so sollten Ärzte noch eine schriftliche Bestätigung einfordern, bevor sie die Arznei rezeptieren. Das schützt vor einem späteren Arzneiregress.

© Picture-Factory/Fotolia.com

KASSEL. Wenn irgend möglich, sollten sich Ärzte bei eigentlich ausgeschlossenen Arznei-Verordnungen nicht auf eine telefonische Kostenzusage der Krankenkasse verlassen.

Diese kann zwar Vertrauensschutz auslösen, die Hürden dafür sind aber hoch, wie aus einem Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) in Kassel hervorgeht.

Im Streitfall geht es um die Verordnung des Enzympräparats Wobe Mugos E zur begleitenden Therapie bei Krebs in den Quartalen III/1999 bis I/2000. Das Medikament war nicht zur Verordnung zu Lasten der gesetzlichen Krankenkassen zugelassen. Gegen einen Allgemeinarzt in Rheinland-Pfalz hatten die Prüfgremien deswegen einen Regress in Höhe von 1863 Euro festgesetzt.

Der Arzt wollte dies nicht hinnehmen: Sowohl die Patientin als auch er selbst hätten bei der Kasse nachgefragt. Diese habe erklärt, sie werde im Einzelfall die Kosten übernehmen.

Das BSG bestätigte zunächst, dass Ärzte die Kasse um eine "Vorab-Prüfung" und Genehmigung bitten können, wenn sie im Einzelfall eine eigentlich ausgeschlossene Arznei - etwa im Off-Label-Use - verordnen wollen.

Dabei gebe es "kein gesetzliches Formerfordernis". Auch wenn die Schriftform üblich und sinnvoll sei, könne daher im Einzelfall auch eine Telefon-Auskunft verbindlich sein. Die Beweislast trage im Streitfall allerdings der Arzt.

Zudem legte das BSG hohe Hürden fest, damit eine telefonische Auskunft Vertrauensschutz auslösen kann.

Denn der Arzt müsse davon ausgehen, dass die Antwort für die Kasse keine Routineentscheidung sondern eine seltene Ausnahme ist, betonten die Kasseler Richter.

Sie setze die Klärung schwieriger rechtlicher Fragen voraus und bedürfe "im Regelfall der Hinzuziehung medizinischen Sachverstands". Zudem seien jeweils Dauer und Menge der Verordnung zu klären.

Wegen dieser Tragweite einer "Erlaubnis" könnten Ärzte auf die Auskunft der Kasse nur vertrauen, wenn sie sicher sind, dass die Kasse die Sache "fundiert geprüft hat beziehungsweise durch den MDK hat prüfen lassen" oder wenn sie wissen, dass die Antwort "einer ständigen Verwaltungspraxis der Krankenkasse entspricht" - etwa weil diese ausdrücklich den Sachbearbeitern die Entscheidung überlässt.

Im Regelfall könnten Ärzte aber bei einer telefonischen Auskunft nur dann von einer ausreichend gründlichen Prüfung ausgehen, wenn sie "mit medizinisch oder pharmakologisch fachkundigen Mitarbeitern der Krankenkasse oder einem Arzt des MDK" gesprochen haben. Dabei seien die Anforderungen umso höher, je höher die Kosten des Medikaments sind.

Soweit zeitlich noch möglich, sollten Ärzte um eine schriftliche Bestätigung bitten, rät das BSG. Über den konkreten Fall soll nach den Maßgaben des BSG nun das Landessozialgericht (LSG) Rheinland-Pfalz neu entscheiden. (mwo)

Az.: B 6 KA 27/12 R

Ihr Newsletter zum Thema
Mehr zum Thema
Das könnte Sie auch interessieren
Innovationsforum für privatärztliche Medizin

© Tag der privatmedizin

Tag der Privatmedizin 2025

Innovationsforum für privatärztliche Medizin

Kooperation | In Kooperation mit: Tag der Privatmedizin
Klaus Reinhardt, Präsident der Bundesärztekammer und Vizepräsident der Ärztekammer Westfalen-Lippe, hofft, dass das BMG mit der Prüfung des Kompromisses zur GOÄneu im Herbst durch ist (Archivbild).

© picture alliance / Jörg Carstensen | Joerg Carstensen

Novelle der Gebührenordnung für Ärzte

BÄK-Präsident Reinhardt: Die GOÄneu könnte 2027 kommen

Kommentare
Sonderberichte zum Thema
Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Symposiums v.l.n.r.: Professor Karl Broich (BfArM), Dr. Jürgen Malzahn (AOK-Bundesverband), Dr. Christine Mundlos (ACHSE e.V.), Hauke Gerlof (Ärzte Zeitung), Dr. Johanna Callhoff (DRFZ), Professor Christoph Schöbel (Ruhrlandklinik, Universitätsmedizin Essen), Privatdozent Dr. Christoph Kowalski (Deutsche Krebsgesellschaft), Dr. Peter Kaskel (Idorsia)

© Thomas Kierok

ICD-11: Die Zeit ist reif für die Implementierung

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Idorsia Pharmaceuticals Germany GmbH, München
Abb. 1: Bei erfolgreich therapierter Sialorrhö ist Teilhabe wieder leichter möglich

© Olesia Bilkei / stock.adobe.com [Symbolbild]

Glycopyrroniumbromid bei schwerer Sialorrhö

Wirtschaftliche Verordnung durch bundesweite Praxisbesonderheit

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Proveca GmbH, Düsseldorf
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Jetzt neu jeden Montag: Der Newsletter „Allgemeinmedizin“ mit praxisnahen Berichten, Tipps und relevanten Neuigkeiten aus dem Spektrum der internistischen und hausärztlichen Medizin.

Top-Thema: Erhalten Sie besonders wichtige und praxisrelevante Beiträge und News direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen
Lesetipps
Ein älterer Herr, der einen medizinischen Fragebogen ausfüllt.

© buritora / stock.adobe.com

Metaanalyse

Subjektive Krankheitsbelastung bei Krebs prognostisch relevant

Eine junge Frau fasst sich an ihren schmerzenden Ellenbogen.

© Rabizo Anatolii / stock.adobe.com

Laterale Ellbogenschmerzen

Diese sechs Kriterien sprechen gegen einen „Tennisarm“

Eine Ärztin hält einen Reagenzstreifen zur Analyse einer Urinprobe in der Hand.

© H_Ko / stock.adobe.com

Risikofaktoren identifiziert

Für wen könnten Harnwegsinfekte gefährlich werden?