Sitzen die Banken auf den EZB-Milliarden?

442 Milliarden Euro hat die Europäische Zentralbank jüngst in den Markt gepumpt, um Banken anzuregen, günstige Kredite zu geben. Doch die Geldhäuser sanieren offenbar lieber ihre Bilanzen.

Von Jürgen Lutz Veröffentlicht:
Die EZB verleiht das Geld billig, doch die Kredite werden nicht entsprechend günstiger.

Die EZB verleiht das Geld billig, doch die Kredite werden nicht entsprechend günstiger.

© Foto: Kristijan Caprdja www.fotolia.de

Die Europäische Zentralbank (EZB) kündigte in der zweiten Junihälfte an, zur Stärkung der Kreditvergabe für ein ganzes Jahr eine unbegrenzte Summe Geld an die Geschäftsbanken auszugeben - zum historischen Niedrigzins von einem Prozent.

Kein Wunder, dass dieses Angebot bei den Geldhäusern sofort reißenden Absatz fand: Mehr als 1100 Banken im Euro-Raum griffen zu und sicherten sich eine gigantische Liquidität von insgesamt 442 Milliarden Euro. Doch kommt das billige Geld tatsächlich der Wirtschaft und den Verbrauchern in Form günstigerer Kredite zugute?

Die WestLB meldete daran bereits im Juni Zweifel an. Die hohe überschüssige Liquidität der Banken dürfte in erster Linie die Zinssätze auf dem Geldmarkt reduzieren. Ob sich die Kreditvergabe an die Unternehmen erhöhe, bleibe "mehr als fraglich", so die Banker.

Die FMH-Finanzberatung, die seit 1986 bei in Deutschland tätigen Banken Zinsdaten abfragt und veröffentlicht, hat dieser Tage bei bis zu 75 Banken nachgehakt und diese Zweifel in einer aktuellen Analyse bestätigt. Demnach geben die befragten Banken die Zinssenkungen der EZB fast nur bei den Anlagezinsen weiter. "Bei den Krediten aber mauern die allermeisten Geldhäuser. Teils werden die Konditionen sogar verschärft", berichtet FMH-Inhaber Max Herbst.

Bei den Dispozinsen wird das Missverhältnis deutlich

Besonders augenfällig wird dies bei den Dispozinsen. Seit Beginn der Zinssenkungen durch die EZB haben nach FMH-Angaben 31 Banken die Dispo-Zinsen gesenkt, 20 Häuser ließen die Zinssätze unverändert und vier Banken hoben sie sogar an. Dazu kommt, dass zwischen dem Rückgang der Leit- und der Dispozinsen ein krasses Missverhältnis besteht. So sank der Leitzins von Oktober 2008 bis Juli 2009 von 4,25 Prozent auf einen Prozent, was einem Rückgang um 3,25 Prozentpunkte entspricht. Der durchschnittliche Dispozins habe dagegen nur von 12,50 auf 11,66 Prozent nachgegeben - und damit nicht einmal um einen Prozentpunkt, so Herbst.

Ähnlich sieht die Entwicklung bei den Ratenkrediten aus. Für einen Ratenkredit für 5 000 Euro über 36 Monate Laufzeit reduziert sich der Mittelwert trotz deutlicher Leitzinssenkungen von 8,37 nur auf 7,99 Prozent. 27 Banken haben ihre Ratenkredit-Konditionen nicht verändert und 17 Häuser haben den Kreditzins sogar erhöht.

Bei den Anlagezinsen indes sieht die Lage komplett anders aus. "Beim Tagesgeld haben 73 der 75 einbezogenen Banken ihre Zinsen von durchschnittlich 3,54 auf 1,56 Prozent gesenkt", so Herbst. Auch beim Festgeld über zwölf Monate waren sie nicht zimperlich: Alle 56 einbezogenen Banken haben die Zinsen heruntergefahren. 23 Banken zahlen gar bis zu vier Prozentpunkte weniger als im September 2008. Der Durchschnittswert brach von 4,86 auf 1,80 Prozent ein.

Der Bundesverband der Verbraucherzentralen hat bereits mehrfach gefordert, dass die Banken die günstigere Refinanzierung an die Kunden weitergeben und die Kreditzinsen senken. Die Aussichten dafür beurteilt Herbst nicht rosig. Seine Einschätzung: "Die Anlagezinsen werden im Mittel noch etwa einen halben Prozentpunkt nachgeben, aber bei den Krediten wäre die gleiche Senkung schon eine positive Überraschung."

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