Studie: Mehr Marktwirtschaft täte der GKV gut

Die jüngste GKV-Finanzreform unter die Lupe genommen - das hat ein Experte der Deutschen Bank Research. Das Fazit seiner Studie, die heute vorgestellt wird: Die Richtung stimmt, doch die Weichen sind nicht konsequent genug gestellt. Mehr Marktwirtschaft wäre gut.

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FRANKFURT/MAIN (reh). Als einen Schritt in die richtige Richtung bewertet eine Studie der Deutschen Bank Research (dbresearch) das vor kurzem verabschiedete GKV-Finanzierungsgesetz. Doch um tatsächlich mehr Wettbewerb zu schaffen, seien weitere Reformen notwendig.

Die Studie, die heute in Berlin einem Kreis von über 200 Experten aus dem Gesundheitswesen vorgestellt wird, lobt zwar, dass sich die Bundesregierung bei dem neuen Gesetz weitestgehend am Konzept der Pauschalbeiträge orientiert - also der Idee, dass die Versicherten einen Pauschalbeitrag pro Kopf an ihre Krankenkasse zahlen, statt eines Anteils ihres sozialversicherungspflichtigen Einkommens.

Aber die Weichen seien noch nicht konsequent genug gestellt. Wer mehr Wettbewerb verbunden mit Transparenz unter den Kassen wolle, müsse ihnen auch mehr Möglichkeiten geben, eigenständig im Markt zu agieren - und den Versicherten deutlicher machen, dass sie künftig einen wachsenden Teil der Ausgaben im Gesundheitswesen selbst tragen müssten.

Ein wichtiger Schritt sei immerhin, dass die Kassen Zusatzbeiträge erheben könnten und zwar in Euro und Cent, so wie die Kasse den Beitrag benötige. Allerdings bemängelt Studienautor Dieter Bräuninger von der dbresearch, dass die Einnahmen der gesetzlichen Kassen nach wie vor zu stark vom beitragspflichtigen Einkommen abhängen.

Zwar wurde der Anteil des Beitragssatzes, den die Arbeitgeber leisten, jetzt bei 7,3 Prozent eingefroren, besser wäre es jedoch, wenn alle Einkommen eines Versicherten - das heißt auch etwa Miet- und Kapitaleinnahmen - berücksichtigt würden.

Zumindest für die Berechnung des Sozialausgleichs für die Zusatzbeiträge hat Gesundheitsminister Philipp Rösler in der vergangenen Woche verlauten lassen, dass alle steuerpflichtigen Einkommen berücksichtigt werden sollten. Sinnvoll wäre das laut der dbresearch Studie in jedem Fall.

Denn: Das beitragspflichtige Einkommen sage wenig über die finanzielle Leistungsfähigkeit eines GKV-Mitglieds aus. Werde nur dieses Einkommen für die Gewährung des Sozialausgleichs herangezogen, könnten auch zum Beispiel "Teilzeitbeschäftigte mit erheblichem Einkommen aus Vermietung oder Kapitalvermögen in den Genuss des Sozialausgleichs" kommen.

Dass der Sozialausgleich steuerlich getragen wird, begrüßt der Autor. Zumal Bräuninger im Gespräch mit der "Ärzte Zeitung" davon ausgeht, dass die Zusatzbeiträge in der Mitte der kommenden Dekade im dreistelligen Bereich - knapp über 100 Euro - liegen werden.

Da jedoch bei den Arbeitgebern nicht der absolute Betrag, sondern nur der Beitragssatz eingefroren werde, schreibt er in seiner Studie, dominiere die Beitragsfinanzierung noch für lange Zeit.

Ein komplett steuerfinanziertes GKV-System lehnt Bräuninger allerdings ab. "Das würde dem Staat Tür und Tor zur Regulierung öffnen", sagt er - und das könne wohl niemand wollen.

Mehr Marktwirtschaft würde Bräuninger hingegen positiv werten. Wie er in seiner Studie schreibt, könne der Wettbewerb der Kassen härter werden, wenn die einzelnen Kassen auf den Leistungsmärkten die Konditionen besser mitbestimmen könnten als bislang. Damit meint Bräuninger vor allem die Selektivverträge.

Doch was würde auf die Vertragsärzte zukommen, wenn es nur noch ein System unzähliger Selektivverträge gäbe? Würde das den Bürokratieaufwand in den Praxen nicht noch mehr erhöhen? Hier müsse die Praxis-EDV Lösungen anbieten, erklärt Bräuninger.

In Apotheken sei dies durch die Rabattverträge ja bereits gelebte Realität. Mehr Wettbewerb, so Bräuninger, würde aber natürlich auch eine größere Umwälzung des GKV-Systems bedeuten.

Was auch zu erwarten ist: In den nächsten Jahren werde sich noch einmal die Anzahl der gesetzlichen Krankenkassen verringern, sagt Jens Michael Otte, Leiter Öffentlicher Sektor bei der Deutschen Bank. Eine größere zweistellige Zahl würden wir aber sicherlich behalten, so seine Prognose.

Im nächsten Jahr werde sich der Trend zum Kassenschwund vielleicht etwas abschwächen, sagt Bräuninger, weil für die Kassen ja nun erst einmal eine gewisse Finanzierungssicherheit bestehe. Bräuninger: "Schon 2012 wird aber das Gros der Kassen Zusatzbeiträge nehmen müssen."

Mit der Folge, dass einige Kassen Mitglieder verlieren würden und die Kassen wieder vermehrt Fusionsgespräche führen müssten. "Es wird eine ähnliche Entwicklung wie in den letzten Jahren sein", vermutet Bräuninger.

Spätfolgen durch die Finanzkrise drohen dem gesetzlichen Krankenversicherungssystem immerhin nicht. Zwar greift die Studie das Thema noch auf und nennt noch einmal die Summe von 11 Milliarden Euro, die laut Experten der GKV im Frühjahr 2011 fehlen sollten - eben auch wegen der Finanzkrise.

Bräuninger bestätigt aber im Gespräch mit der "Ärzte Zeitung", dass diese Gefahr nun nicht mehr bestehe. Zum einen hätten die Gegenmaßnahmen der Bundesregierung gegen die Krise Wirkung gezeigt, zum anderen mache sich natürlich auch bei den Beitragseinnahmen der derzeitige Aufschwung bemerkbar.

Schließlich bedeutet das auch eine geringere Arbeitslosigkeit. Nichtsdestotrotz steht die GKV durch die demographische Entwicklung vor dem Problem, dass die Zahl der Mitglieder mit beitragspflichtigen Arbeitseinkommen tendenziell sinkt.

Dass sich die Deutsche Bank so intensiv mit der GKV beschäftigt, liegt laut Otte daran, dass das Thema Gesundheit zunehmend an Bedeutung gewinne. Und daran, dass die Bank noch stärker als bislang auch zum strategischen Partner für die Institutionen im Gesundheitswesen werden wolle.

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