Kapitalanlage

Trügerische Sprachbilder sind Stolperfallen für Anleger

„Betongold“, „Schrottanleihen“ und andere Begriffe des Börsenjargons suggerieren Anlegern eine Sicherheit bestimmter Anlagen. Wie gefährlich dies sein kann, zeigte sich 2008, als die Blase am US-Eigenheimmarkt platzte. Kluge Anleger üben sich in Hermeneutik.

Von Richard Haimann Veröffentlicht:
Wie aus Worthülsen falsche Anlageentscheidungen erwachsen, hat die Finanzkrise 2008 gezeigt.

Wie aus Worthülsen falsche Anlageentscheidungen erwachsen, hat die Finanzkrise 2008 gezeigt.

© fotogestoeber/Fotolia

NEU-ISENBURG. Wenn Synonyme wie „Betongold“ oder „Schrottanleihen“ fallen, schrillen bei Thomas Wüst die Alarmsirenen. „Solche Begriffe verführen Anleger zu einer pauschalen Einordnung“, sagt der Geschäftsführer der Valorvest Vermögensverwaltung in Stuttgart. „Private Investoren sollten darauf achten, welche Deutungsmuster durch die Verwendung solcher Worte geweckt werden.“

Mit „Betongold“ umschreiben Projektentwickler und Makler gern Neubauvorhaben von Eigentumswohnung. Der Begriff weckt die Assoziation, dass ein Kauf solcher Immobilien so sicher ist, wie ein Investment in das Edelmetall. Was Anleger jedoch bedenken sollten: Die Geschichte des Immobilienmarktes ist eine Aneinanderreihung von Höhen und Tiefen.

Anzeichen für Immobilienblase

Zunächst steigen die Preise von Häusern und Wohnungen über Jahre hinweg immer weiter, weil immer mehr Käufer in der Erwartung auf stetige Wertzuwächse Immobilien erwerben. Das führt dazu, dass immer mehr Gebäude errichtet werden. Schließlich übersteigt dadurch irgendwann das Wohnraumangebot die Nachfrage so stark, dass die Spekulationsblase platzt, woraufhin anschließend über Jahre hinweg die Preise immer weiter fallen.

Wie gefährlich dies sein kann, zeigte sich 2008, als die Blase am US-Eigenheimmarkt platzte und die globale Wirtschaft in die Finanzkrise stürzte. Jetzt mehren sich Anzeichen dafür, dass der Immobilienmarkt in Deutschland überhitzt. Nach einer Studie der Immobilienforschungsgesellschaft Bulwiengesa kosten Eigentumswohnungen heute im Schnitt das 34-Fache der Jahresnettomiete.

„Von 1990 bis 2010 hingegen wurden Wohnungen maximal zum 26-fachen der Jahreskaltmiete gehandelt“, sagt Gottfried Urban, Vorstand der Bayerische Vermögen in München. Wie absurd teuer das vermeintlich sichere „Betongold“ geworden ist, zeigt ein weiterer Vergleich: „Aktien aus dem deutschen Leitindex Dax kosten derzeit im Schnitt nur das Zwölffache des Jahresgewinns der Unternehmen“, sagt Urban.

Das werfe die Frage auf, „ob ‚Betongold‘ heute zu teuer und Aktien zu billig sind?“

"Schrottanleihen" nicht pauschal schlecht

Hingegen müssen „Schrottanleihen“, anders als der Begriff aus dem Börsenjargon impliziert, nicht zwangsläufig ein schlechtes Investment sein. Bezeichnet werden mit dem Synonym Schuldverschreibungen von Staaten und Unternehmen, deren langfristige Zahlungsfähigkeit gerade im Zweifel steht.

Dies galt während der Finanzkrise beispielsweise für südeuropäische Staatsanleihen. Die Länder wurden jedoch durch den Rettungsschirm von EU und Europäischer Zentralbank vor der Insolvenz bewahrt.

Der berühmte Investor André Kostolany machte sein Vermögen damit, Schuldverschreibungen vermeintlicher Pleite-Staaten zu erwerben. Er wusste: Die meisten Länder werden vor dem Konkurs gerettet. Sein Rat an Anleger lautet denn auch: „Wer gut schlafen will, kauft Anleihen.“

Über spezielle Fonds können private Investoren dem Beispiel der ungarischen Börsenlegende folgen. Allerdings heißen diese Anlageprodukte nicht „Schrottanleihe-Fonds“. Sie tragen vielmehr die deutlich positiver klingende Bezeichnung „Hochzinsanleihe-Fonds“. Diese Wortschöpfung rührt daher, dass die jährliche prozentuale Zinsrendite einer Anleihe spiegelbildlich steigt, wenn ihr Börsenkurs fällt.

Beträgt der jährliche Zins eines Anleihescheins im Nennwert von 100 Euro drei Euro, so entspricht dessen Rendite bei der Ausgabe drei Prozent. Fällt der Börsenkurs auf 50 Euro, wird aber weiter der Jahreszins von drei Euro gezahlt, so steigt die prozentuale Rendite auf sechs Prozent.

Erwirbt ein Investor nun den Anleiheschein zu 50 Euro und erhält am Ende der Laufzeit den vollen Nennwert zurück, so verdoppelt er sein eingesetztes Kapital und erzielt obendrein noch jedes Jahr eine Zinsrendite von sechs Prozent.

Buffets Herz für Börsen-Paria

Die Investorenlegende Warren Buffet verfährt nach demselben Prinzip am Aktienmarkt. „Er sucht Aktien von zu Unrecht abgestraften Unternehmen“, sagt Marc-Oliver Lux, Geschäftsführer der Münchner Vermögensverwaltung Dr. Lux & Präuner. „Schrottaktien“ zu kaufen, das hat dem Börsen-Altmeister aus den USA nie jemand nachgesagt.

Valorvest-Chef Wüst rät Anlegern deshalb, „sensibler dafür zu werden, was Sprachbilder bewirken“ – und ihre Investmententscheidungen nicht durch Synonyme diktieren zu lassen.

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