Versicherer dürfen Überschüsse nicht behalten

Deckungslücken durch gestiegene Lebenserwartung - die wälzen private Rentenversicherer laut einem Versicherungsexperten gerne auf ihre Kunden ab. Der Bundesgerichtshof hat das nun verboten.

Von Friederike Krieger Veröffentlicht:

Niedergelassene Ärzte, die aus ihren privaten Rentenversicherungen nur geringe Überschussbeteiligungen erhalten haben, macht ein neues Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) Hoffnung auf Nachschläge. Es macht aber auch für all jene Hoffnung, die in Zukunft auf die private Zusatzrente setzen. Die Karlsruher Richter haben entschieden, dass Versicherer Überschüsse nicht verwenden dürfen, um Deckungslücken aus der gestiegenen Lebenserwartung zu schließen, wenn vereinbart worden ist, dass dieses Geld die Rente erhöhen soll (Az.: IV ZR 102/06).

Versprochen wird Kunden eine zusätzliche Rendite

Bei einer klassischen Rentenpolice garantiert der Versicherer dem Kunden bei Vertragsabschluss für die gesamte Laufzeit eine Mindestverzinsung. Bei neuen Verträgen liegt sie bei 2,25 Prozent, bei älteren bei bis zu 4 Prozent. Erwirtschaften die Gesellschaften mit den Beiträgen der Kunden mehr Rendite, lassen sie die Versicherten über die variable Überschussbeteiligung daran teilhaben. Sie wird jährlich neu festgelegt.

In den vergangenen Jahren fiel die Überschussbeteiligung oft mager aus. Die Erklärung vieler Versicherer: Sie seien von der Aufsichtsbehörde BaFin angehalten, mit einer neuen Sterbetafel der gestiegenen Lebenserwartung Rechnung zu tragen. Das koste Geld, da Renten nun länger gezahlt werden müssen. "Viele Versicherer haben die Deckungslücke mit Mitteln aus der Überschussbeteiligung aufgefüllt, obwohl sie den Kunden versprochen hatten, dass dieses Geld ihre Rente erhöhen soll", sagt der Versicherungsmathematiker Axel Kleinlein. Der BGH hat bekräftigt, dass diese Praxis nicht rechtens ist: Die aufsichtsrechtliche Pflicht zur sogenannten Nachreservierung entbinde den Versicherer nicht davon, seine vertraglichen Pflichten gegenüber dem Kunden einzuhalten.

"Das Urteil wird vermutlich weit reichende Konsequenzen für die Lebensversicherer haben", sagt Kleinlein. Nach seiner Einschätzung hat ein Großteil der Gesellschaften den Kunden seit 2005 die Anrechnung von Überschüssen vorenthalten. Damals trat eine neue Sterbetafel in Kraft. "Es gab aus diesen Überschüssen oft keine Zusatzrente für die Kunden, die schon in Rentenbezug waren, und auch bei Kündigung gab es zum Teil keinen Cent aus diesen Überschüssen." Kleinlein schätzt den Schaden auf rund 4 Milliarden Euro. Bei einem Standardvertrag belaufe sich die entgangene Summe auf mehrere hundert bis tausend Euro.

Die Beweislast liegt beim versicherten Arzt

Betroffene Ärzte müssen aber erst einmal nachweisen, dass ihr Versicherer wirklich Schindluder mit der Überschussbeteiligung getrieben hat. Der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) stellt sich auf den Standpunkt, dass Überschüsse nicht vorenthalten wurden, sie seien gar nicht erst entstanden. Bei einer Verlängerung der Lebenserwartung müssten aus den Prämien der Versicherungsnehmer mehr Rentenzahlungen bestritten werden, so dass aus den Beiträgen weniger Überschüsse erwirtschaftet werden können, die es zu verteilen gilt.

Auch die BaFin sehe derzeit "keine Anhaltspunkte, dass andere Versicherungsunternehmen von dem BGH-Urteil betroffen sind", so BaFin-Sprecher Ben Fischer. Versicherte, die Zweifel hegen, dass es bei der Überschussbeteiligung mit rechten Dingen zugegangen ist, könnten sich aber an die BaFin wenden. Auch der Versicherungsombudsmann nimmt Entscheidungen der Gesellschaften im Streitfall unter die Lupe. Für ein rechtswirksames Urteil müssen die Kunden selbst vor Gericht ziehen.

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