HINTERGRUND

Zu große Freiheiten bei der Praxiswerbung rufen die Wettbewerbszentrale auf den Plan

Von Monika Peichl Veröffentlicht:
Auch für Ärzte gilt das Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb.

Auch für Ärzte gilt das Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb.

© Foto: Comstock

Einen "Männerarzt" kennen die Weiterbildungsordnungen der Landesärztekammern nicht. Doch es gibt Ärzte, die mit dieser Bezeichnung in der Öffentlichkeit auftreten. "Männerarzt" höre sich an wie "Frauenarzt", sagt Juristin Christiane Köber, die bei der Bad Homburger Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs das Gebiet Gesundheit bearbeitet. Dabei hätten die "Männerärzte" lediglich ein paar Wochenend-Fortbildungen absolviert und keine jahrelange Weiterbildung zum Facharzt. Sie hofft, dass das Oberlandesgericht Hamm in diesem Jahr zu dieser Streitsache ein Urteil fällt.

Das Werbeverbot für Ärzte ist zwar stark gelockert worden, doch grenzenlose Werbefreiheit genießen Ärzte nicht. Daher befasst sich die Wettbewerbszentrale nach wie vor mit Verstößen gegen das Wettbewerbsrecht, bei denen Ärzte die Missetäter sind. Daneben verfolgt sie auch Fälle, in denen Ärzte die Zielgruppe für rechtlich anstößige Werbe- und Vertriebsmethoden sind.

Ärzte werden umworben als Partner beim Produktverkauf

Zur ersten Kategorie zählen Qualifikationsbezeichnungen wie der "Männerarzt", die nach Auffassung der Wettbewerbshüter Patienten in die Irre führen können. So nannte sich ein Arzt "Facharzt für Dermatologie und kosmetische ästhetische Medizin" - dieser Facharzt-Titel existiert ebenfalls nicht. Hals-Nasen-Ohren-Ärzte ließen sich in Telefonbüchern unter der Rubrik "Plastische Chirurgie" eintragen oder inserierten in dieser Rubrik. In einem Urteil des Landgerichts Köln von 2007 blieb die Frage ungeklärt, ob das irreführende Werbung ist.

Das Gericht habe den Eintrag beanstandet, weil es in dem Inserat einen Verstoß gegen die ärztliche Berufsordnung gesehen habe, berichtet Wettbewerbshüterin Köber. Bisher gebe es zu diesem Sachverhalt widersprüchliche Entscheidungen. Klarheit sollen Verfahren an den Oberlandesgerichten Köln und Hamm bringen.

Ärzte sind wegen ihres hohen Ansehens bevorzugte Zielgruppe mancher Hersteller, beispielsweise von Vitaminpräparaten oder Nahrungsergänzungsmitteln. Daher hat die Wettbewerbszentrale Jahr für Jahr mit unzulässigem Produktverkauf in Arztpraxen zu tun, und die Zahl solcher Beanstandungen nimmt auch nicht ab. Je kleiner der Kuchen werde, desto mehr seien Ärzte als Vertriebspartner und Verkaufsförderer gesucht, so Köber. "Da gab es zum Beispiel einen Augenarzt, der fröhlich Vitamine verkauft hat in seiner Praxis." Die ärztliche Berufsordnung lässt wenig Raum für den Produktverkauf in der Praxis, insofern lassen sich diese Fälle laut Wettbewerbszentrale außergerichtlich durch Abmahnung oder Abgabe von Unterlassungserklärungen regeln.

Werbung in Arzt-Software ist oft heikel.

Rechtlich nicht ganz so eindeutig war der Streit der Wettbewerbshüter mit dem Hersteller einer Praxissoftware, die eine neue Funktion "Versandapotheke" erhalten hatte. Damit konnten die Ärzte Bestellformulare großer Versandapotheken ausdrucken. Den Ärzten sei suggeriert worden, sie könnten mit diesem Bestellverfahren der Bonus-Malus-Regelung entgehen. Das Landgericht Koblenz stellte fest, dass diese Software die Ärzte unzulässig manipuliere. Es sei ihnen berufsrechtlich nicht erlaubt, Patienten an eine bestimmte Apotheke zu verweisen. Das Oberlandesgericht Koblenz bestätigte die Auffassung der Wettbewerbszentrale.

"Arzt-Software ist immer wieder ein Thema", sagt Juristin Köber. Dabei würden die Sachverhalte immer komplexer. Aktuell befasst sich die Wettbewerbszentrale mit der Software für ein Disease-Management-Programm, die Werbung eines bestimmten Arzneimittelherstellers enthält. Immer wieder gebe es auch Beschwerden wegen Preisvergleichen in Praxissoftware, Gerichtsentscheidungen dazu fehlen bisher.

Werbung mit Preisnachlass ist in der Medizin nach Feststellung der Bad Homburger Zentrale kein Tabu mehr. Allerdings stoße die Preiswerbung niedergelassener Ärzte auf rechtliche Hindernisse. Einen Fall ließen die Wettbewerbshüter gerichtlich klären: Ein Facharzt für ästhetische Chirurgie warb zur Neueröffnung seiner Praxis mit Gutscheinen, bei deren Vorlage die Patienten 20 Prozent Nachlass auf sämtliche Behandlungen erhalten sollten. Weil der Arzt keine Unterlassungserklärung abgeben wollte, kam der Streit vors Landgericht Köln, das die Werbeaktion untersagte.

Richter finden Preisaktionen nicht per se unzulässig

Dabei stellten die Kölner Richter auch darauf ab, dass ästhetische Eingriffe gesundheitspolitisch nicht erwünscht seien. Das Kammergericht Berlin hingegen hielt Preisermäßigungen eines Zahnarztes bei einer Aktion für Kinderprophylaxe für zulässig (für Kinder von sechs bis 17 Jahren wurde eine kostenlose Versiegelung der Prämolaren angeboten). Eine Gefährdung des Gesundheitswesens erscheine hier als fernliegend.

Ärztekammern sind vor allem deshalb Mitglied der Wettbewerbszentrale, um gegen Nicht-Kammerangehörige vorgehen zu können. Gegen Ärzte werde die Zentrale dann eingeschaltet, wenn es schnell gehen solle, hieß es bei der Ärztekammer Nordrhein. Ob die ärztliche Selbstverwaltung gegen einen Kollegen das Berufsgericht oder die Wettbewerbszentrale anruft, hänge von der Art des Verstoßes ab.

STICHWORT

Wettbewerbszentrale

Die Wettbewerbszentrale ist nach eigener Darstellung die bundesweit größte Selbstkontrollinstitution zur Durchsetzung des Wettbewerbsrechts. Grundlage ihrer Tätigkeit ist das Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb. Die Zentrale betont ihre Neutralität und Unabhängigkeit. Sie sei kein Verbraucherschutzverband, stelle aber im Interesse der Wirtschaft auch die Einhaltung der Verbraucherschutzbestimmungen sicher. Wettbewerbs- und Verbraucherschutz seien die Kehrseiten ein- und derselben Medaille.

Lesen Sie dazu auch: Ärzte müssen auch mit den Wettbewerbshütern rechnen

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