Israel

Zwischen Effizienz und defizitärer Ausstattung

Israel muss demnächst massiv in die Versorgung investieren - ein Lockruf für MedTech-Anbieter?

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JERUSALEM. Zwischen Effizienz und defizitärer technischer sowie personeller Ausstattung, so präsentiert sich Israels gegenwärtige Gesundheitsversorgung ausländischen Beobachtern. Wer es positiv deutet, sieht zum Beispiel großes Potenzial für die Medizintechnikbranche. Wie die deutsche Außenhandelsagentur Germany Trade & Invest (gtai) hinweist, gibt Israel relativ wenig Geld für sein Gesundheitswesen aus.

Bei dieser Aussage stützt sie sich auf eine vom Gesundheitsministerium auf Grundlage von OECD-Statistiken veröffentlichte Analyse. Dieser zufolge hätten die israelischen Ausgaben für die Gesundheitsversorgung im Jahr 2011 bei 7,7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) gelegen - und damit deutlich unter dem OECD-Durchschnitt von 9,3 Prozent.

Das ist aber laut gtai nicht alles: Weil das israelische BIP niedriger, als das der meisten Industrieländer ist, liegen die Pro-Kopf-Gesundheitsausgaben des Landes, nach Kaufkraftparität berechnet, mit umgerechnet 2239 US-Dollar (rund 1686 Euro) um ein Drittel unter dem OECD-Durchschnitt.

Personeller Engpass bei Ärzten und Krankenschwestern

Israel hat, so die Einschätzung der gtai, zu wenig Krankenhausbetten und oft ungenügende Medizintechnik, zudem herrsche ein Mangel an Krankenschwestern. Das zeigten internationale Vergleiche. Die Zahl der Ärzte entwickle sich besorgniserregend.

Die Regierung steuere inzwischen zwar ein wenig entgegen, doch müsse sich in den kommenden Jahren noch viel ändern - die Bevölkerung altert. Allerdings können Privathaushalte kaum noch stärker zur Kasse gebeten werden.

Zum Teil gebe es dafür objektive Gründe: Israels Bevölkerung ist relativ jung, so dass der Bevölkerungsanteil der versorgungsbedürftigeren Senioren im Alter ab 65 Jahren im Jahr 2011 bei 10,0 Prozent und damit deutlich unter dem OECD-Durchschnitt von 15,4 Prozent lag.

Die Israelis sind im Durchschnitt nicht nur jünger als die Gesamtheit der OECD-Bürger, sondern werden medizinisch auch schlechter betreut. Ein wichtiges Indiz dafür ist laut gtai die Unterversorgung mit Krankenhausbetten. Während im OECD-Durchschnitt 4,8 Krankenhausbetten pro 1000 Einwohner zur Verfügung stehen, sind es in Israel nur 3,3.

Noch schlechter schneide Israel ab, wenn nur die Universalkrankenhäuser, nicht aber Einrichtungen der Psychiatrie, der Geriatrie und der Rehabilitation betrachtet würden. Die erstgenannten Kliniken böten nämlich 1,9 Betten je 1000 Einwohner, während es in der OECD 3,4 seien. Bei der Ausstattung mit Universalkrankenhausbetten belegte Israel 2011 den drittletzten Rang unter allen OECD-Ländern.

Auch bei der Ausstattung mit Medizintechnik sieht es im interrnationalen Vergleich dürftig aus.

Das zeigen, wie die gtai hervorhebt, exemplarisch Vergleichsdaten für die Ausstattung mit Computertomographie- und Magnetresonanzgeräten (CT beziehungsweise MRI). So stünden einer Million Israelis jeweils nur 9,0 CT-Geräte und lediglich 2,5 MRI-Geräte zur Verfügung (OECD: 23,6/ 18,7).

Ärzte schleusen Patienten schnell durch das System

All das bedeutet - und darauf weist die gtai explizit hin - zwar nicht, dass das israelische Gesundheitswesen kollabiert. Dieses zeichne sich durch ein hohes Fachniveau der Ärzte aus und garantiere bisher eine durchaus angemessene Grundversorgung.

Ein Indiz dafür sei die relativ hohe Lebenserwartung. So hätten israelische Frauen eine Lebenserwartung von 83,6 Jahren (OECD: 83,1 Jahre), israelische Männer kommen auf 79,9 Jahre (OECD: 77,3 Jahre).

Auf Dauer aber lasse sich der gegenwärtige Zustand nicht aufrechterhalten. Jetzt schon müssten israelische Ärzte ihre Patienten schnell durchs System schleusen. Die Bettbelegungsquote liege bei 98 Prozent. Das heißt, dass bei erhöhter Beanspruchung die Kliniken hoffnungslos überbelegt wären, Patienten in Korridoren lägen und das Betreuungsniveau weiter sinke.

Der durchschnittliche Krankenhausaufenthalt in Israel liege bei 4,0 Tagen (OECD: 6,5). Das, so charakterisiert die gtai die Ambivalenz, ist zum Teil ein Kompliment an die Effizienz der israelischen Krankenhäuser, zum anderen Teil zeigt diese Kennzahl aber, dass das System bis an seine Grenzen belastet ist.

Dabei gehe es nicht nur um Betten und Medizintechnik, sondern auch um Fachpersonal. Die Zahl der praktizierenden Ärzte liege bei 3,3 pro 1000 Einwohner (OECD: 3,2).

Allerdings sei diese Zahl in Israel rückläufig, während sie, wie auch das israelische Gesundheitsministerium einräume, in anderen Ländern steige. Daher, so das israelische Gesundheitsministerium in seiner Analyse, werde Israel bald auch bei dieser Kennzahl unter das durchschnittliche Niveau der Industrienationen sinken.

Pflegepersonal ist knapp

Beim Pflegepersonal sei das längst der Fall. Je 1000 Israelis stünden nur 4,8 Krankenschwestern zur Verfügung (OECD: 8,8). Als Notbehelf ließen die Kliniken zu, dass Patienten bei einfachen Aufgaben von Familienangehörigen betreut werden, jedoch dürfte dies keine wirkliche Lösung sein.

Der Staat versuche inzwischen, gegenzusteuern. So erklärte das Gesundheitsministerium, die Zahl der israelischen Medizinstudenten habe sich in den Jahren 2008 bis 2012 verdoppelt. Auch die Zahl der in Ausbildung stehenden Krankenpfleger habe einen Rekordstand erreicht. Zudem seien in den letzten Jahren Hunderte neue Krankenhausbetten bereitgestellt worden. Die Bereitstellung von Hunderten weiterer Betten sei geplant.

Wichtig in diesem Zusammenhang ist - darauf hebt die gtai ab - auch, dass Privathaushalte eine Verbesserung der medizinischen Dienstleistungen kaum noch finanzieren können. Dazu verweist die gtai auf eine ebenfalls in diesem Sommer veröffentlichte Vergleichsstudie der Bank von Israel (Zentralbank), wonach die Privathaushalte jetzt schon mit 39 Prozent einen überdurchschnittlich hohen Anteil an den nationalen Ausgaben für Gesundheit tragen (OECD: 28 Prozent).

Bereits heute finanzierten die 19- bis 49-Jährigen laut der Bank von Israel 52 Prozent der in ihrer Altersgruppe anfallenden Gesundheitskosten privat. Bei den 50- bis 64-Jährigen liegt der private Finanzierungsanteil immerhin bei 46 Prozent. Damit sei die Schmergrenze auch politisch erreicht.

Unter diesem Umständen sind massive Ausgabensteigerungen des Staates überfällig, lautet die Conclusio der gtai. Dies könne sowohl durch Investitionen in die staatliche Gesundheits-Infrastruktur, beispielsweise durch den Bau neuer staatseigener Krankenhäuser, als auch durch erhöhte Finanzierung gemeinnütziger beziehungsweise gewerblicher Gesundheitsleistungen geschehen. (maw)

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