Verfassungsrichter - Geburtshelfer des Schutzes von Gendaten

BERLIN (fst). Der gläserne Mensch - häufig, wenn über den Umgang mit genetischen Daten debattiert wird, ist diese Befürchtung zu hören. Gefordert wird damit zugleich ein umfassendes Gesetz für den Umgang mit genetischen Daten. Das Grundgesetz für diese Regeln hat vor über 20 Jahren das Bundesverfassungsgericht geschrieben.

Veröffentlicht:

Genetische Testverfahren können Daten liefern, die den Kernbereich der menschlichen Persönlichkeit einer getesteten Person - und den unbeteiligter Dritter, etwa von Familienmitgliedern - betreffen. Berührt ist damit das in Artikel 2 Grundgesetz geschützte Persönlichkeitsrecht: "Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit."

   
"Jeder kann selbst über die Weitergabe und Verwendung persönlicher Daten entscheiden, er kann bestimmen, in welchen Grenzen Lebensumstände zu offenbaren sind."
 
Aus dem Volkszählungsurteil vom 15.12.83
1. Senat des Bundesverfassungsgerichts
   

Allgemeine Persönlichkeitsrechte eines Menschen sind im Zusammenhang mit genetischen Informationen in zweierlei Hinsicht berührt: Einerseits sein Recht auf informationelle Selbstbestimmung, andererseits sein Recht auf Nichtwissen - denn niemand hat die Pflicht, über die eigene genetische Disposition Bescheid wissen zu müssen.

Das Bundesverfassungsgericht hat erstmals im Jahr 1983 das Recht auf informationelle Selbstbestimmung festgeschrieben. Anläßlich des sogenannten Volkszählungsurteils am 15. Dezember 1983 haben die Karlsruher Richter in einem wegweisenden Beschluß den Grundstein für den modernen Datenschutz in Deutschland gelegt. Zugleich erklärten sie das im Jahr zuvor vom Bundestag verabschiedete Volkszählungsgesetz für grundrechtswidrig.

Kern der Begründung: Es sei unvereinbar mit der Rechtsordnung, daß der Bürger nicht mehr wissen könne, wer was wann und bei welcher Gelegenheit über ihn weiß. Das - vom Gericht kreierte - Recht auf informationelle Selbstbestimmung meint daher die Befugnis des einzelnen, grundsätzlich selbst zu entscheiden, wann und innerhalb welcher Grenzen er persönliche Lebenssachverhalte offenbart.

Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung ist also ein Schutzrecht der Bürger vor der Datensammelwut von staatlichen Behörden und Unternehmen. Allerdings, so das Gericht, sind Einschränkungen dieses Rechts möglich im Falle von "überwiegendem Allgemeininteresse". Zwei Bedingungen legten die Richter fest: Zum einen braucht es eine gesetzliche Grundlage, wenn der Staat Daten sammeln und speichern will. Zum anderen muß eindeutig sein, für welchen Zweck Daten erhoben und verwendet werden.

Das Urteil prägt die Gesetzgebung - auch die zum geplanten Gendiagnostik-Gesetz - bis heute. So heißt es in der Begründung des Arbeitsentwurfs vom Oktober 2004: Ziel des Gesetzes ist es, den "mit der Untersuchung menschlicher genetischer Eigenschaften verbundenen Gefahren für die Achtung und den Schutz der Menschenwürde, die Gesundheit und die informationelle Selbstbestimmung zu begegnen sowie eine genetische Diskriminierung zu verhindern".

Seit Monaten beraten die beteiligten Ministerien und Experten von SPD und Grünen über Details des Gesetzentwurfs. Die Materie ist komplex, denn nicht die spezifischen technischen Eigenschaften eines Gentests, sondern "der Zweck und die Rahmenbedingungen seines Einsatzes" sind bestimmend für die "ethische und gesellschaftliche Vertretbarkeit" eines Tests, heißt es in der Gesetzesbegründung.

Dabei geht es in den Detailregelungen immer darum, das Recht auf informationelle Selbstbestimmung abzuwägen mit anderen Interessen - etwa denen von Versicherern, Arbeitgebern oder Strafverfolgungsbehörden.

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