Großzügigkeit

Eine Frage der Distanz

Warum Menschen großzügiger zu ihnen nahe stehenden Personen als zu Fremden sind, haben Forscher nun herausgefunden. Empathiefähigkeit und das Hormon Oxytocin spielen dabei eine wichtige Rolle.

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LÜBECK. Viele Menschen sind erstaunlich großzügig, sie machen anderen gerne Geschenke oder helfen beim Umzug. Allerdings behandeln wir nicht alle in unserem sozialen Umfeld gleich. Je näher uns jemand steht, desto großzügiger verhalten wir uns dieser Person gegenüber. Aber warum ist das eigentlich so?

"Im Allgemeinen nimmt die Bereitschaft, andere zu unterstützen, mit der gefühlten zwischenmenschlichen Distanz ab. Personen, die uns sehr nahe stehen, sowie Familienangehörigen sind wir eher bereit zu helfen als Personen, die uns nicht so nahe stehen wie zum Beispiel entfernte Bekannte oder die wir gar nicht kennen wie Fremde auf der Straße", wird Dr. Sabrina Strang vom Institut für Psychologie der Universität zu Lübeck in einer Mitteilung der Universität zitiert.

Ein Forscherteam der Universität zu Lübeck und der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn konnte nun die dem sogenannten "soziales Diskontierungsverhalten" zugrunde liegenden Mechanismen nachweisen (Psychoneuroendocrinology 2017; online 4. Februar).

Insgesamt 132 Männer nahmen an der Studie teil. Die Probanden wurden gebeten, sechs Personen aus ihrem persönlichen Umfeld zu benennen, wobei diese sich in ihrer sozialen Distanz unterschieden. Als Erstes sollten sie die Person angeben, die ihnen am nächsten steht (zum Beispiel die Partnerin oder ein Elternteil). Des Weiteren wurden sie gebeten, verschiedene Personen anzugeben, die in unterschiedlicher sozialer Distanz zu ihnen stehen, etwa ein guter Freund, ein Kollege, ein Nachbar und ein Fremder auf der Straße, heißt es in der Mitteilung weiter.

Anschließend schlüpften die Probanden in die Rolle des Diktators: Sie bestimmten darüber, wie viel sie von einen bestimmten Geldbetrag mit einer vorher angegebenen Personen aus ihrem sozialen Umfeld teilen möchten. Der Betrag, den sie angaben, wurde im Anschluss an das Experiment tatsächlich an die entsprechende Person weitergeleitet.

Vor dem Diktator-Spiel wurde anhand eines Fragebogens die individuelle Empathiefähigkeit der Probanden gemessen. Zudem erhielt die eine Hälfte der Probanden das Hormon Oxytocin, während die andere Hälfte ein Placebo verabreicht bekam.

Die Wissenschaftler untersuchten anschließend, inwieweit Oxytocin und Empathie das Abgabeverhalten der Probanden im Diktator-Spiel beeinflussten. "Interessanterweise konnten wir zeigen, dass die Probanden, die das Oxytocin verabreicht bekamen, sich gegenüber sozial näher stehenden Personen noch großzügiger verhielten als die Probanden, die das Placebo erhielten. Das Verhalten gegenüber Personen, die sich nicht im engeren sozialen Umfeld befinden, wurde hingegen nicht von dem Hormon beeinflusst", wird Studienautorin Professor So Young Park in der Mitteilung zitiert.

Zudem fanden die Wissenschaftler heraus, dass dieser Effekt abhängig von der Empathiefähigkeit der Probanden ist. Je empathischer die Probanden waren, die das Oxytocin erhielten, desto großzügiger verhielten sie sich Personen in ihrem nahen sozialen Umfeld gegenüber.

Oxytocin und Empathie spielen demnach eine wichtige Rolle, wenn es darum geht, wem gegenüber wir uns großzügig verhalten. (eb)

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