Ärzte-Initiative ist bei Fluglärm-Studie hellwach

BONN. Eigentlich liegen die Mediziner der Ärzte-Initiative für ungestörten Nachtschlaf Rhein/Sieg und die Fluglärmforscher des Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Köln gar nicht weit auseinander. Beide Seiten wollen wissen, ob nächtlicher Fluglärm der Gesundheit schadet, beide Seiten fordern zusätzliche Studien mit Kranken, Kindern und Senioren.

Von Anja Krüger Veröffentlicht:

Die DLR-Forscher hatten für eine Studie in 2240 Nächten die Auswirkungen von Fluglärm an 128 Probanden im Labor und an 64 Personen zu Hause untersucht. Ergebnis: Nächtlicher Fluglärm kostet Betroffene etwa zwei Minuten Schlaf, zu einer vermehrten Ausschüttung von Streßhormonen kommt es nicht.

Doch nach Auffassung der Ärzte-Initiative macht der nächtliche Krach Menschen krank. Die Mediziner forderten auf einer Tagung des Verkehrsclubs Deutschland und des Bundesumweltministeriums in Bonn eine große Feldstudie. Die Ärzte fürchten, daß Vertreter von Politik und Wirtschaft auf Grundlage der Studienergebnisse den Ausbau des nächtlichen Flugverkehrs vorantreiben.

"Man muß voller Anerkennung sagen: Es ist eine methodisch gute Studie", erklärte die Internistin Dr. Gerda Noppeney von der Ärzte-Initiative. Sie wehrt sich jedoch dagegen, daß die Ergebnisse generalisiert werden. Nach ihrer Auffassung haben die DLR-Wissenschaftler zu wenige Bevölkerungsgruppen in die Untersuchung einbezogen. Unter den Probanden waren beispielsweise weder Senioren noch Kinder oder Kranke.

"Ein Drittel der Bevölkerung im Rhein-Sieg-Kreis ist damit schon aufgrund des Alters ausgeschlossen", sagte Noppeney. Außerdem kritisiert die Ärztin, daß die Wissenschaftler die Störung des Schlafs vor allem an der Aufwachwahrscheinlichkeit festmachen. Die Tagesschläfrigkeit werde dagegen nicht erfaßt.

Daß die Studie repräsentativ ist, haben die DLR-Wissenschaftler allerdings auch nie behauptet. "Wir haben nie den Anspruch erhoben, ein epidemiologisches Studiendesign gewählt zu haben, sondern ein experimentelles", sagte Studienleiter Dr. Alexander Samel vom DLR.

Für den Epidemiologen Professor Eberhard Greiser von der Universität Bremen ist das schlicht "Quatsch". "Wenn aufgrund einer solchen Studie Aussagen gemacht werden für die Bevölkerung, kommt die Epidemiologie ins Spiel", betonte er. Die Aussagen der Untersuchung könnten nur für eine kleine, extrem gesunde Gruppe gelten.

Doch mehr wollten die DLR-Wissenschaftler nach eigenen Aussagen auch gar nicht. Die Studie sei einfach der Frage nachgegangen, ob nächtlicher Fluglärm Gesunde krank mache, erklärte dazu Professor Rupert Gerzer, Leiter des DLR-Instituts für Luft- und Raumfahrtmedizin. "Wir messen nur, wie ein Gesunder reagiert. Und der reagiert erstaunlich wenig."

Auch die DLR-Wissenschaftler würden gerne eine Studie mit Beteiligung von Kranken durchführen, wie sie auch die Fluglärm-Gegner fordern. Zunächst sei es aber darum gegangen, eine wissenschaftliche Basis zu erstellen, um auch Vergleichsdaten zu erhalten. "Man kann nicht alles auf einmal untersuchen." Der niedergelassene Internist und Mitbegründer der Ärzte-Initiative, Dr. Arno Lang, ist allerdings skeptisch angesichts der vom DLR eingeräumten Einschränkungen. "Die Studie soll Grundlage für deutsche und europäische Gesetzgebung sein", sagte er. "Wie paßt das zusammen mit der Nicht-Repräsentativität?"

Tatsächlich wollen die Wissenschaftler des Kölner Luftfahrtzentrums, daß Politiker die Studienergebnisse bei der Novellierung des Fluglärmgesetzes berücksichtigen. Das müßte die Fluglärmgegner eigentlich freuen. Denn der Studie zufolge liegt die Aufwachschwelle durch nächtlichen Lärm mit 33 Dezibel deutlich niedriger als bislang angenommen. Bisher gingen Wissenschaftler von etwa 60 Dezibel aus. Zum Vergleich: eine normale Unterhaltung entspricht bereits etwa 55 Dezibel.

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