Therapie bei Übergewicht

In kleinen Schritten zum Normalgewicht

Manch eine Adipositastherapie scheitert daran, dass die geforderte große Gewichtsabnahme Betroffene abschreckt. Forscher plädieren nun dafür, die Stoffwechsel-gesunde Adipositas als erstes Therapieziel zu definieren.

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Reichen 5 bis 8 Prozent Gewichtsabnahme für alle übergewichtigen und adipösen Menschen aus, um das Risiko für Folgeerkrankungen deutlich zu senken? Das ist noch unklar.

Reichen 5 bis 8 Prozent Gewichtsabnahme für alle übergewichtigen und adipösen Menschen aus, um das Risiko für Folgeerkrankungen deutlich zu senken? Das ist noch unklar.

© elli / Fotolia

NEUHERBERG. Die metabolisch gesunde Adipositas könnte ein lohnendes erstes Ziel in der Adipositas-Therapie sein. Das zeigen Tübinger und Potsdamer Forscher des Deutschen Zentrums für Diabetesforschung (DZD) in der Fachzeitschrift "The Lancet Diabetes & Endocrinology" anhand bereits veröffentlichter und neuer Daten (Lancet Diabetes Endocrinol 2017; online 14. September). Menschen mit metabolisch gesunder Adipositas weisen maximal einen der folgenden Risikofaktoren auf: Hypertonie, Insulinresistenz, Dyslipidämie, Bauchfettsucht, Hyperglykämie oder Fettleber.

Lebensstilintervention scheitert oft

"Übergewicht macht krank. Sie sollten abnehmen." Darauf weisen Ärzte ihre übergewichtigen und adipösen Patienten ja immer wieder hin. Durch eine Lebensstilintervention schaffen Betroffene es, ihr Gewicht kurzfristig zu reduzieren, langfristig bleibt der Erfolg jedoch meist aus, so das DZD in einer Mitteilung.

Weiterhin stelle sich die Frage, ob die von den medizinischen Fachgesellschaften vorgeschlagenen 5 bis 8 Prozent Gewichtsabnahme für alle übergewichtigen und adipösen Menschen überhaupt ausreicht, um das Risiko für Folgeerkrankungen deutlich zu senken. Bei einem Ausgangsgewicht von beispielsweise 120 kg und einer Körpergröße von 180 cm (BMI, Body Mass Index 37 kg/m2) liegt der BMI des Patienten auch nach dem erfolgreichen Abnehmen bei 34,4. Damit hat er noch lange nicht den wünschenswerten BMI von 25 und kleiner erreicht, bei dem man heutzutage bei den meisten Menschen bekannterweise von einem deutlichen Schutz vor Adipositas-bedingten Erkrankungen ausgeht.

Wäre es nicht sinnvoller, erreichbare Zwischenziele zu definieren, um ein individuell gesundes Gewicht zu erreichen? Welche Parameter könnten dieses Zwischenziel beschreiben? Können kleinere Schritte, die Betroffenen besser motivieren, abzunehmen? Diese Fragen untersuchten Wissenschaftler des Universitätsklinikums Tübingen und des Instituts für Diabetesforschung und Metabolische Erkrankungen des Helmholtz Zentrums München sowie vom Deutschen Institut für Ernährungsforschung in Potsdam.

In ihrer aktuellen Arbeit zeigen die Professoren Norbert Stefan und Hans-Ulrich Häring aus Tübingen und Professor Matthias Schulze aus Potsdam auf, wie das Konzept der metabolisch gesunden Adipositas in das Risikomanagement der Adipositas-Therapie eingebunden werden kann. Dabei legen sie unter anderem anhand von eigenen Daten der Tübinger Lebensstil Interventionsstudie dar, dass eine Gewichtsabnahme von mehr als 10 Prozent bei einem mittleren Ausgangs-BMI von 35 wahrscheinlich ausreicht, um vom "metabolisch kranken" zum "metabolisch gesunden" Übergewicht zu gelangen, berichtet das DZD. Sie betonen dabei aber auch, dass man sich damit langfristig nicht zufrieden geben darf, da auch bei metabolisch gesunder Adipositas das Krankheitsrisiko im Vergleich zum metabolisch gesunden Normalgewicht um 25 Prozent erhöht ist. Zum Vergleich: Bei gleichschweren adipösen Menschen, die als metabolisch krank angesehen werden, ist das Risiko um 150 Prozent erhöht.

"Niedrig hängende Frucht"

Als ein wichtiges Etappenziel bezeichnet Stefan das Erreichen eines belegbaren Schutzes vor Adipositas-bedingten metabolischen Erkrankungen: "Sehen Sie diesen Schutz als eine ‚niedrig hängende Frucht‘ an. Sie ist zwar nicht leicht zu ernten, aber einfacher zu erreichen, als sich von Anfang an auf die obersten Früchte zu konzentrieren." Die Arzt/Patienten-Kommunikation sei eine wichtige Stütze, um den Patienten zu motivieren, diesen Zustand zu erreichen und zumindest zu halten. (eb)

Das ist eine metabolisch gesunde Adipositas

Menschen mit metabolisch gesunder Adipositas weisen maximal einen der folgenden Risikofaktoren auf:

  • Hypertonie
  • Insulinresistenz
  • Dyslipidämie
  • Bauchfettsucht
  • Hyperglykämie
  • Fettleber
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