INTERVIEW

Bei Asthma steht die Schulung an erster Stelle

Nicht nur in der Arznei-Therapie bei Asthma, sondern auch, was die gesamte Krankheitsbewältigung anbelangt, haben sich grundlegende medizinische Auffassungen geändert. Mit Chefarzt Dr. Josef Lecheler vom CJD Asthmazentrum Berchtesgaden sprach Martin Roos von der "Ärzte Zeitung" beim Asthmasymposium in Berchtesgaden.

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Ärzte Zeitung: Was hat sich in der medikamentösen Therapie bei Anstrengungsasthma in den letzten Jahren geändert?

Lecheler: Medikamentengruppen sind nach ihrem Wirkprinzip zusammengefaßt worden: Man unterteilt die Wirkstoffe jetzt in entzündungshemmende Controller und krampflösende Releafer. Unter Letzteren versteht man vor allem kurzwirksame Beta-Mimetika in ihrer Funktion als Notfallmedikamente.

Ärzte Zeitung: Und die Controller?

Lecheler: Dazu zählen inhalative Steroide und langwirksame Beta-Mimetika, die neuerdings verfügbar sind. Die Leukotrien-Antagonisten vom Typ des Montelukast gehören hierzu, ebenso wie Dinatrium-Cromo-Glykat (DNCG), das vor allem bei Kindern über lange Zeit hinweg sehr geschätzt war.

Ärzte Zeitung: Sie sagen "war" - wirkt DNCG nicht ausreichend?

Lecheler: Nein, der Grund ist ein anderer: Heute empfiehlt man DNCG nicht mehr so häufig, weil es viermal am Tag zu nehmen ist, wenn es seine volle Wirkung entfalten soll - und wer macht das schon, noch dazu vielleicht mit Hilfe eines Inhalationsgerätes, das auch nicht ganz einfach zu bedienen ist.

Ärzte Zeitung: Welche Bedeutung hat die medikamentöse Therapie überhaupt?

Lecheler: Zuallererst gilt es zu beachten, daß die Krankheitsbewältigung im Ganzen stimmt. Die Weltgesundheitsorganisation hat dazu einige Leitlinien vorgegeben. Danach stehen nicht die Medikamente an erster Stelle, sondern die Patientenschulung. Darüber hinaus muß der Arzt die persönlichen Bedürfnisse und Möglichkeiten der Patienten einschätzen können.

Ärzte Zeitung: Können Sie uns ein Beispiel geben?

Lecheler: Nehmen wir DNCG: Wenn ein Kind nicht mal richtig dazu angehalten werden kann, einmal am Tag die Zähne zu putzen, läßt sich nicht eine viermal tägliche Inhalation empfehlen. Oder wenn eine Haustier-Allergie besteht: Dann kann ich nicht in erster Linie Medikamente verordnen, sondern muß versuchen, das Haustier abzuschaffen. Dann kommt erst die paßgenaue Medikation.

Ärzte Zeitung: Sie propagieren seit Jahren Sport als Chance für Asthmatiker. Wo ist Sport im Behandlungskonzept anzusiedeln?

Lecheler: Der richtige Umgang mit Sport ist heute außer der Medikation ein wesentlicher Teil des modernen Asthma-Managements.

Ärzte Zeitung: Richtiger Umgang - was meinen Sie damit?

Lecheler: Daß man nicht planlos mit dem Sport beginnt, zum Beispiel am Anfang der Sportstunde. Das Problem: Körperliche Belastung führt zu Mehratmung und diese führt zu Abkühlung und Austrocknung der Bronchialschleimhaut. Wenn der Patient aber trainiert ist, braucht er für dieselbe körperliche Aktion weniger Atemarbeit. Die Schwelle, an der das Anstrengungsasthma ausgelöst wird steigt - und zwar erheblich. Der Aktionsradius und die Lebensqualität wird dann auch größer

Ärzte Zeitung: Aber grundlegende Dinge wie das Asthma-Verhaltenstraining, die Asthmaschulung ....

Lecheler: .... dürfen natürlich nie fehlen. Das gilt auch für die neuen Disease-Management-Programme: Die "Level-A-Intervention" besteht immer aus Schulungsprogrammen. Und zwar nicht aus irgendwelchen Texten zur Wissensvermittlung, sondern aus verhaltensrelevanten Schulungen, die im wesentlichen Übungen beinhalten. Kinder müssen üben! - Stellen Sie sich einen Nichtschwimmer vor, dem reicht ja auch nicht ein theoretischer Vortrag aus, um schwimmen zu können.

Ärzte Zeitung: Wie soll so etwas in der Praxis laufen?

Lecheler: Das hängt stark vom Alter ab. Zum Beispiel kann es sinnvoll sein, Spiele einzubauen. Schämt sich beispielsweise ein Kind, während des Unterrichts ein Medikament zu nehmen, kann man solche Szenen spielerisch vorwegnehmen. So läßt sich sein Verhaltensrepertoire auf praktische Weise erweitern.

Ärzte Zeitung: Welche Bedeutung haben Psyche oder Psychosomatik bei Asthma?

Lecheler: Die Psyche spielt eine wesentliche Rolle, aber nicht als causa prima. Früher glaubte man, daß es durch einen psychischen Schock zu Asthma kommen kann. Das ist aber nicht der Fall. Aber wenn umgekehrt ein unterstützendes familiäres und schulisches Umfeld existiert, ist das für die Krankheitsbewältigung sehr viel wert. Fehlt dieses Umfeld, kann die Erkrankung deutlich schwerer verlaufen.



Bedingt zuviel Hygiene Allergien?

Die Asthmahäufigkeit ist vor allem in den Industrieländern groß - und wächst stetig weiter. Warum dies so ist, darüber existieren mehrere Hypothesen.

Eine der wahrscheinlichsten, die Hygiene-Hypothese, wird durch Daten gestützt, die nach der deutschen Wiedervereinigung erhoben wurden: Die Asthma-Prävalenz lag in den neuen Bundesländern deutlich niedriger, verglichen mit den alten. "Der Schlüssel dazu lieferten Untersuchungen, in denen die städtische Bevölkerung mit solcher vom Lande verglichen wurde", sagte Professor Dieter Kiosz von der Uni Kiel.

"Dort wo die Kinder, überspitzt formuliert, noch mit in den Kuhstall gehen, tritt Asthma deutlich weniger auf." Die Erklärung laut Kiosz: Das immunologische TH2-System, das für Allergien entscheidend ist, wird dann angeschaltet, wenn das durch Mikroorganismen in Anspruch genommene TH1-System quasi unterbeschäftigt ist. "Wir gehen davon aus, daß unser heutiges Lebensumfeld nur wenig bakterielle und virale Erreger an das Immunsystem von Kindern und Säuglingen heranträgt, so daß wir kaum noch eine Stimulation des TH1-Systems haben."

Das bedeute, so Kiosz, daß Allergen-Quellen, wie Haustiere, normale Matratzen und ähnliches, nicht aus dem Haushalt entfernt werden sollten, sobald Nachwuchs kommt. "Ist aber eine Asthma-Diagnose erfolgt, muß natürlich eine Karenz eingehalten werden." Wobei natürlich zu berücksichtigen ist, das nicht bei allen Patienten das Asthma allergene Ursachen hat. (rom)

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