Ganzheitlich gegen Inkontinenz bei Demenz

LEIPZIG (sir). Demenzpatienten haben häufiger als andere alte Menschen eine Harninkontinenz. Außer Arzneien verbessern auch Beckenboden-, Miktions- und Toilettentraining die Kontinenz.

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Eine gute Betreuung kann auch die Kontinenz verbessern.

Eine gute Betreuung kann auch die Kontinenz verbessern.

© Foto: Klaro

Bei den meisten Demenzerkrankungen tritt - ausschließlich oder zusätzlich zu anderen Inkontinenzformen - eine spezielle Form der Dranginkontinenz auf. Darauf hat Professor Ingo Füsgen aus Wuppertal hingewiesen.

"Es handelt sich um eine neurogene hyperaktive Blase oder ungehemmte neuropathische Blasenfunktionsstörung", sagte der Geriater beim Dementia Fair Congress in Leipzig. Diese Inkontinenzform wird oft auch als neurogen enthemmte Blase, supraspinale Reflexblase oder nicht-inhibierte Blase bezeichnet, so Füsgen. Ursache seien Schädigungen der zerebralen Kontrolle. Sie führen zu einer Abschwächung der Detrusor-hemmenden efferenten Signale.

Zusätzlich haben viele Demenzpatienten Schwierigkeiten, den Weg zur Toilette zu finden, ihre Kleidung zu öffnen oder wenigstens um Hilfe beim Toilettengang zu bitten. Letztlich sind 70 bis 80 Prozent der demenzkranken Pflegeheimbewohner im Spätstadium der Demenz harninkontinent.

Zu der Inkontinenz-Diagnose gehören nach Angaben von Füsgen auch die Eigen- und Fremdanamnese, klinische Untersuchung sowie die Bestimmung von Demenzform und Demenzstadium. Erfasst werden sollten auch funktionelle Defizite, ein Urinstatus sowie im Serum Entzündungsparameter, Kreatinin und Harnstoff. Außerdem sind ein Miktionsprotokoll und die Bestimmung des Restharns notwendig. Die Führung des Miktionsprotokolls braucht nur wenige Tage zu umfassen.

Die erste Maßnahme sollte eine Überprüfung der bisherigen Medikation sein, so Füsgen. Schon eine Behandlung mit Antidementiva bessere nach wenigen Wochen meist auch die Kontinenz.

Gegen die Dranginkontinenz haben sich Spasmolytika wie Trospiumchlorid bewährt. "Die Arznei ist nicht liquorgängig und verstärkt deshalb das cholinerge Defizit von Alzheimer-Patienten nicht." Weitere Bausteine einer Kontinenztherapie seien Beckenboden-, Miktions- und Toilettentraining.

"Demenzpatienten benötigen darüber hinaus jede Hilfe, die sie bekommen können, um ihnen den Weg zur Toilette zu ebnen", so Füsgen. Dazu zählt der Geriater gute Beleuchtung, ein Geländer oder etwa einen Rollator. Bei Problemen, auf der Toilette die Miktion auszulösen, seien Eukalyptus-Öl-Kompressen, Wärmflaschen oder Massagen für den Unterleib hilfreich, ebenso das Geräusch fließenden Wassers.

Auch wenn nur erreicht wird, dass die Patienten wieder mit mithilfe des Pflegepersonals zur Toilette gehen können, bewahre dies die Betroffenen vor sozialer Isolation, betonte der Geriater.

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