Ursache für chronische Unterschenkelgeschwüre entdeckt?

Bisher wurde vermutet, dass ein Unterschenkelgeschwür deshalb nicht zuheilt, weil die Proteolyse verstärkt abläuft. Doch deren Bedeutung wurde möglicherweise überschätzt. Der Schlüssel scheint ein Protein zu sein, das die Apoptose induziert.

Dr. Robert BublakVon Dr. Robert Bublak Veröffentlicht:
Geschwür am Knöchel - an exzessiver Proteolyse oder Mangel an Wachstumsfaktoren liegt es wohl nicht.

Geschwür am Knöchel - an exzessiver Proteolyse oder Mangel an Wachstumsfaktoren liegt es wohl nicht.

© Klaro

KOPENHAGEN. Warum es bei manchen Wunden zu einem chronischen Verlauf kommt, ist nur zum Teil erforscht. Oft wird ein Ungleichgewicht in der Aktivität von Proteinasen und deren Inhibitoren für die Persistenz der Gewebedefekte verantwortlich gemacht.

Eine dänische Studie kommt allerdings zu völlig anderen Ergebnissen (Br J Dermatol 2011; 165: 292).

Wundsekret von 25 Patienten mit akuten Wunden untersucht

Dermatologen, Chirurgen und Pathologen der Universitätsklinik Kopenhagen hatten Wundsekret von 25 Patienten mit akuten Wunden in der Heilungsphase und von acht Patienten mit chronischem Ulcus cruris venosum entnommen.

Keiner der Studienteilnehmer war Diabetiker. Das Sekret wurde mit einem speziell konzipierten, wundheilungsspezifischen und antikörperbasierten Mikroarray untersucht.

Das Ergebnis überraschte die Forscher: Weder bei den proentzündlichen Zytokinen noch bei den Proteinasen und Antiproteinasen fanden sich signifikante Unterschiede zwischen akuten und chronischen Wunden. So waren beispielsweise die Konzentrationen der Metalloproteinase 9 (MMP-9) und des Typ-IV-Kollagens ähnlich hoch.

Metalloproteinase 9 ist in Ulzera nicht verstärkt aktiv

Bisher herrschte dagegen die Ansicht vor, in chronisch-venösen Beinulzera sei die MMP-9-Aktivität erhöht - aufgrund eines Mangels an a1-Antichymotrypsin. Aber auch dieser Marker zeigte keinen auffälligen Unterschied zwischen den beiden Gruppen.

Das einzige Protein, das in chronischen Wunden niedrigere Konzentrationen aufwies, war S100A8/A9 (Calprotectin). In den chronischen venösen Ulzera wurden 226 µg / ml, in den akuten und heilenden Wunden 455 µg / ml gemessen.

Das spiegelte sich auch in den Serumwerten wider, die bei Patienten mit chronischen Wunden ebenfalls niedriger waren.

S100A8/A9 im Blick

S100A8/A9 aktiviert Zellen über den Toll-like-Rezeptor 4. Möglicherweise erklärt dies, weshalb Makrophagen in chronischen Wunden vergleichsweise wenig aktiv sind. Auch der Schlüssel für die geringe Epithelialisierung, die typisch für nicht heilende venöse Beinulzera ist, könnte hier zu finden sein.

S100A8/A9 gehört zu den Kalzium bindenden Proteinen und hat die Fähigkeit, in verschiedenen Zellen die Apoptose zu induzieren. Eine therapeutische Korrektur der niedrigen Spiegel könnte womöglich dazu beitragen, die Heilung chronisch-venöser Beinulzera zu fördern.

Augenmerk liegt auf einem Kalzium bindenden Protein

Die Ergebnisse der Studie widersprechen gängigen Modellen der Pathomechanismen in nicht heilenden Wunden. Im Vergleich mit akuten Wunden fanden sich bei chronischen Beinulzera keine Hinweise darauf, dass dort eine exzessive Proteolyse abliefe oder ein Mangel an Wachstumspromotern vorläge.

Einzig die Konzentration des Kalzium bindenden Proteins S100A8/A9 war in chronischen Wunden erniedrigt. Möglicherweise ergeben sich aus dieser Erkenntnis neue therapeutische Optionen.

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