Erneute Diskussion um moderne Antihypertensiva

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OHIO (ner). ACE-Hemmer oder Kalziumkanalblocker haben keine Vorteile für Hypertonie-Patienten mit metabolischem Syndrom im Vergleich zu Thiaziddiuretika - das behaupten Autoren der Hypertonie-Mega-Studie ALLHAT aufgrund einer neuen Subgruppen-Analyse. Der Internist Professor Rainer Düsing aus Bonn widerspricht.

Für Hochdruck-Patienten mit metabolischem Syndrom gelten ACE-Hemmer, Kalziumkanalblocker und Alphablocker als Mittel der ersten Wahl, weil sie günstige metabolische Effekte haben sollen. Diuretika dagegen haben, das ist unbestritten, eher ungünstige metabolische Effekte. In der ALLHAT-Studie mit mehr als 42 000 Teilnehmern war die Diabetes-Inzidenz bei Chlorthalidon größer als bei Lisinopril, Amlodipin und Doxazosin.

Dennoch gebe es keinen Grund, ACE-Hemmer, Kalziumkanalblocker oder Alphablocker zu bevorzugen, sagen Dr. Jackson T. Wright Jr. aus Cleveland im US-Staat Ohio und seine Kollegen. Eine jetzt publizierte Subanalyse der ALLHAT-Studie in der Gruppe der 23 000 Patienten mit metabolischem Syndrom hat ergeben, dass das relative Risiko, eine Herzinsuffizienz zu entwickeln, zum Beispiel bei Lisinopril 1,2-mal höher war als in der Chlorthalidon-Gruppe, unter Amlodipin war es ähnlich.

Der Doxazosin-Arm der Studie war vorzeitig beendet worden. Auch bei einem kombinierten kardiovaskulären Studienendpunkt (kardiovaskulär bedingter Tod oder nichttödlicher Herzinfarkt) schnitten die Diuretika-Alternativen zumindest nicht besser ab. Lediglich beim Schlaganfallrisiko ergaben sich leichte Vorteile für Amlodipin in der nicht-schwarzen Bevölkerung (Arch Intern Med 168, 2008, 207). Deshalb, so Wright und Kollegen, gebe es keinen Grund, neuere Substanzklassen gegenüber Diuretika zu bevorzugen, weil dies keine prognostischen Auswirkungen habe.

Der Hypertonie-Experte Professor Rainer Düsing aus Bonn dagegen sagt, dass diese Frage mit den Daten aus ALLHAT gar nicht beantwortet werden könne. Eine Beobachtungszeit von etwa vier Jahren sei viel zu kurz, als dass metabolische Veränderungen sich auf Herzinfarkt- oder kardiovaskuläre Todesraten auswirken könnten. Düsing erneuerte die besonders in Europa vielfach geäußerte methodische Kritik an der Studie. So sei zum Beispiel von Anfang an in der Chlorthalidon-Gruppe die Dosis so hoch gewählt worden, dass die Blutdrucksenkung im Durchschnitt besser war als in den Vergleichsgruppen.

Zudem passe die verordnete Sekundärmedikation Atenolol, Reserpin oder Clonidin zwar zu einem Diuretikum, sei bei primärer ACE-Hemmer-Therapie jedoch inakzeptabel. Des Weiteren sei die Diagnose Herzinsuffizienz allein anhand des Auftretens peripherer Ödeme erfasst worden, so der Internist. Außerdem: Die Behandlung mit Antidiabetika war nicht systematisch ermittelt worden, und die metabolischen Unterschiede zwischen den Behandlungsgruppen seien nur eingeschränkt zu bewerten.

"Es gibt keinen Grund, Diuretika grundsätzlich negativ zu bewerten", sagt auch Düsing. Die prognostischen Unterschiede zwischen den Antihypertensiva-Substanzklassen seien offenbar nicht so groß, wie man früher geglaubt habe. Die ALLHAT-Studie kann, so der Hypertensiologe allerdings lediglich als Versorgungsstudie bewertet werden. Sie gebe keine Auskunft über praktisch wichtige Fragen, zum Beispiel die optimale Arzneimittelkombination oder die Therapieadhärenz. Gerade die unerwünschten Wirkungen von Medikamenten entscheiden seiner Meinung nach allerdings mit darüber, ob Patienten über Jahrzehnte ihre Medikation regelmäßig einnehmen.

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