Infarkt

Neue zeitliche Vorgaben für Diagnose und Behandlung

Die Europäische Gesellschaft für Kardiologie (ESC) hat ihre Leitlinien für das Management bei ST-Hebungs-Myokardinfarkt erneut aktualisiert. Es gibt nun präzise zeitliche Vorgaben für Diagnose und Behandlung.

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Ein Infarkt muss rasch diagnostiziert und der Patient in ein Zentrum mit PCI-Option gebracht werden, fordern die Leitlinien.

Ein Infarkt muss rasch diagnostiziert und der Patient in ein Zentrum mit PCI-Option gebracht werden, fordern die Leitlinien.

© imagebroker / INTERFOTO

MÜNCHEN (eb). Die Europäische Kardiologengesellschaft ESC hat in München die neuen Leitlinien zur Behandlung bei ST-Hebungs-Myokardinfarkt (STEMI) vorgestellt.

Danach sollen Zentren mit Katheterlabor an sieben Tagen pro Woche rund um die Uhr innerhalb von 90 (120) Minuten eine interventionelle Therapie (Percutaneous Coronary Intervention, PCI) anbieten.

Alternativ können die PCI-Zentren ein Rotationsprinzip vereinbaren. Rettungsteams sollen in der Lage sein, einen STEMI rasch zu erkennen und eine initiale Therapie, wenn nötig mit Fibrinolyse, einzuleiten.

Jeder sechste Mann stirbt nach Herzinfarkt

"Verzögerungen vorzubeugen ist von zentraler Bedeutung", heißt es in den Leitlinien: Die Frühphase eines Herzinfarktes ist meistens die gefährlichste, allerdings ist in dieser Zeit auch der Nutzen einer Reperfusionstherapie am größten.

Die frühe Diagnose und Behandlung von STEMIs sind deshalb eine Kernforderung der neuen ESC-Empfehlungen.

Ziel sei, allen Patienten in Europa eine zuverlässige STEMI-Behandlung sowie Optionen bei Komplikationen und zur Sekundärprävention zugänglich zu machen, so Universitätsprofessor Kurt Huber vom Wilhelminenspital Wien, Mitautor der alten und neuen STEMI-Leitlinien, in einer Mitteilung der ESC.

In Europa stirbt derzeit noch jeder 6. Mann und jede 7. Frau an einem Herzinfarkt. Pro Jahr kommen in Europa und den USA jährlich 60 bis 70 von 100.000 Menschen wegen STEMI in die Klinik.

Die Krankenhaussterblichkeit nach STEMI liegt in PCI-Zentren zwischen vier und sechs Prozent (FAST-MI-Studie in Frankreich, DANAMI-Studie in Dänemark, Wiener Infarktregister), aber zwischen 14 und 16 Prozent in einem Nicht-PCI-Zentrum.

Eine wichtige Innovation gegenüber den Leitlinien von 2008 ist die Koordination regionaler STEMI-Netzwerke landesweit, bestehend aus einem Ambulanz-Service und Krankenhäusern mit unterschiedlicher technischer Ausstattung.

Geschultes Personal nötig

Sie sollen präzise zeitliche Vorgaben erfüllen und Verzögerungen in einem Register dokumentieren. Das Personal muss in der Diagnose eines Infarkts geschult sein.

Unmittelbar nach einer Fibrinolyse müssen die Patienten an ein PCI-fähiges Zentrum transferiert werden (I A-Empfehlung).

Die von der ESC-Arbeitsgruppe definierten zeitlichen Ziele sind:

Vom medizinischen Erstkontakt eines Patienten bis zur EKG-Diagnose maximal 10 Minuten

Vom medizinischen Erstkontakt bis zur Initiierung der Fibrinolyse maximal 30 Minuten

Vom medizinischen Erstkontakt bis zur PCI maximal 60 Minuten (frischer Infarkt innerhalb von zwei Stunden ab Schmerzbeginn)

Vom medizinischen Erstkontakt bis zur PCI maximal 90 Minuten (alle anderen Infarkte von 2-12 Stunden).

Als grobe Einschätzung der Entscheidung, ob primäre PCI oder Fibrinolyse, gelten 120 Minuten ab medizinischen Erstkontakt (= EKG mit Diagnose) bis zur PCI (Infarkte mit 3-12 Stunden Dauer).

Nach erfolgreicher Fibrinolyse sollen Patienten innerhalb von 3 bis 24 Stunden angiografiert und, wenn nötig, interveniert werden.

Empfehlungen zu Reperfusionstherapie

Eine Reperfusionstherapie wird für alle STEMI-Patienten innerhalb von 12 Stunden nach dem Auftreten der ersten Symptome empfohlen.

Infarkte mit einer Dauer von 12 bis 24 Stunden sollten bei anhaltenden Beschwerden und/oder weiterhin bestehenden Ischämie-Zeichen mit EKG-Veränderungen einer Reperfusionstherapie mit PCI unterzogen werden.

Der routinemäßige Einsatz von PCI bei stabilen Patienten mit älteren Infarkten ohne Anzeichen einer Ischämie wird nicht empfohlen.

Wichtig ist auch die peri-interventionelle antithrombotische Begleittherapie: Dabei sollten als Antiplättchensubstanzen zusätzlich zu ASS Prasugrel oder Ticagrelor angewandt werden (I B Empfehlung).

Als Antikoagulanzien werden Bivalirudin (I B) oder unfraktioniertes Heparin empfohlen (I C). Auch niedermolekulares Heparin (Enoxaparin) ist möglich (IIbB).

Bei einer Fibrinolysetherapie sollten zusätzlich zum Fibrinolytikum (bevorzugt TNK-tPA oder andere Fibrin-spezifische Substanzen) ASS, Clopidrogel und niedermolekulares Heparin genutzt werden.

ESC-Kongress-Dossier mit allen aktuellen Beiträgen auf www.springermedizin.de

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