Nach Schlaganfall

Vermehrt unreife Nervenzellen im Hippocampus

Nach einem Schlaganfall reifen die Nervenzellen im Hippocampus schneller, es kommt aber zu fehlerhaften Verknüpfungen der Neuronen: Mit diesen Erkenntnissen müssen Wissenschaftler aus Jena eine Hoffnung der Schlaganfall-Forschung weiter relativieren.

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Die beiden Neurologen Dr. Albrecht Kunze (links) und Mihai Ceanga (rechts) vom Uniklinikum Jena untersuchen im Labor die Entwicklung von Neuronen im Hippocampus.

Die beiden Neurologen Dr. Albrecht Kunze (links) und Mihai Ceanga (rechts) vom Uniklinikum Jena untersuchen im Labor die Entwicklung von Neuronen im Hippocampus.

© Michael Szabó

JENA. Nach einem Schlaganfall werden im Hippocampus unreife, übererregbare Nervenzellen in das neuronale Netzwerk eingebaut und fehlerhaft miteinander verknüpft, wie Forscher des Uniklinikums Jena herausgefunden haben.

Das könnte eine Erklärung für eine beeinträchtigte Gedächtnisfunktion und die Neigung zu epileptischen Anfällen bei Schlaganfallpatienten sein, auch wenn diese Gehirnregion nicht unmittelbar betroffen ist (J Neurosci 2018; online 7. Januar).

Mit ihrer Entdeckung relativieren die Jenaer Wissenschaftler um Mihai Ceanga die Hoffnung auf das Reparaturpotenzial neuer Nervenzellen nach einem Schlaganfall weiter.

Die Hoffnung trübt sich

Die Entdeckung versprach völlig neue Möglichkeiten für die Behandlung von Schlaganfallpatienten: Auch im erwachsenen Gehirn werden aus Vorläuferzellen kontinuierlich neue Nervenzellen gebildet, und in experimentellen Studien konnte nach einem Schlaganfall sogar eine Verstärkung dieser Zellreifung nachgewiesen werden, erinnert das Uniklinikum Jena.

Die neuen Neuronen, so die damalige Hoffnung, könnten bei der Regeneration der vom Sauerstoffmangel geschädigten Region und deren Funktion eine wesentliche Funktion innehaben.

Diese Hoffnung wurde jedoch durch die Erkenntnis getrübt, dass die Neuronenbildung nur im Hippocampus stattfindet, einer tief sitzenden und evolutionär sehr alten Hirnregion mit bekanntlich zentralen Funktionen für Gedächtnis und Emotion.

In der Großhirnrinde jedoch, die ja zumeist von Schlaganfällen betroffen ist und in der alle höheren Funktionen des Gehirns wie Sprechen oder Verstehen angelegt sind, sind keine neuen Nervenzellen nachweisbar, auch nicht nach einer Schädigung.

Neurologen des Universitätsklinikums Jena müssen das Reparaturpotenzial der neuen Neuronen nach einem Schlaganfall nun weiter relativieren: In einer aufwändigen tierexperimentellen Studie untersuchten sie, wie die Neuronen nach einem induzierten Schlaganfall im Hippocampus heranreifen.

Unreif und übererregbar

„Mithilfe elektrophysiologischer Messungen konnten wir zeigen, dass Entwicklung und Funktion der neuen Nervenzellen gestört ist, wohingegen ihre Zellgestalt unbeeinträchtigt bleibt. Sie werden beschleunigt in das neuronale Netzwerk eingebaut, während sie noch ‚unerfahren und übererregbar‘ sind“, wird Studienautor Ceanga in einer Mitteilung des Uniklinikums Jena zitiert.

In der Folge gebe es nach einem Schlaganfall vermehrt übererregbare unreife Neuronen im Hippocampus, die dessen Funktion stören können.

„Dieser Befund könnte erklären, warum wir in Verhaltensstudien nach einem Schlaganfall eine Beeinträchtigung des Hippocampus-abhängigen Gedächtnisses beobachten, auch wenn die Schädigung in der Hirnrinde lokalisiert ist und der Hippocampus vom Sauerstoffmangel gar nicht unmittelbar betroffen“, fügt Mitautor Dr. Albrecht Kunze hinzu. Die bei Schlaganfallpatienten erhöhte Anfälligkeit für epileptische Anfälle passe ebenfalls zu dem Ergebnis.

Für Schlaganfallpatienten in der Rehabilitation könnte demzufolge ein gezieltes Training hilfreich sein, das die Vernetzung im Hippocampus unterstützt. Hier bestehe allerdings noch weiterer Forschungsbedarf, so das Resümee Kunzes. (eb/bae)

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