Hörsturz

Kein Hinweis auf Nutzen von Infusionen

Der MDS hat sich mit der rheologischen Infusionstherapie beim Hörsturz befasst. Die abschließende Bewertung lautet auf negativ.

Veröffentlicht:

ESSEN. Jährlich erleiden zwei bis vier von 1000 Menschen in Deutschland einen idiopathischen Hörsturz. Die Ursachen sind weitgehend unbekannt, diskutiert werden zelluläre, vaskuläre und rheologische Störungen. Wo die Ursache unbekannt ist, lässt sich über die wirksamste Art der Behandlung nur spekulieren. Gegen Hörsturz werden neben Glukokortikoiden, hyperbarer Oxygenierung und antiviralen Therapien auch rheologische Infusionen eingesetzt, die wenigstens der Idee nach Hämodilution, Volumen, Fluidität und Plasmaviskosität günstig beeinflussen sollen.

Dieser rheologischen Infusionstherapie, angeboten als individuelle Gesundheitsleistung (IGeL), hat der Medizinische Dienst des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen (MDS) nun einen Bericht für den IGeL-Monitor gewidmet (IGeL-Monitor, 5. Januar 2017). Die systematische Recherche nach Übersichtsarbeiten sowie randomisierten und kontrollierten Studien führte zu drei relevanten Reviews. Die dort untersuchten Studien verwendeten allerdings meist Substanzen, die in Deutschland nicht verkehrsfähig sind oder für die Indikation Hörsturz nicht mehr empfohlen werden, etwa Hydroxyethylstärke.

Für die Analyse kamen demnach nur zwei Studien infrage, beide rund 25 Jahre alt (Laryngoscope, 1992; 102: 65–68; Acta Otolaryngol, 1992; 112: 435–443). Die eingesetzten Rheologika waren Kochsalzlösung mit Procain bzw. niedermolekulares Dextran-40 sowie Kochsalzlösung plus Pentoxifyllin bzw. Dextran plus Pentoxifyllin.

Hinweise auf einen Nutzen der Therapie verglichen mit Infusionen reiner isotonischer Kochsalzlösung fanden die MDS-Autoren nicht. In einer der Studien kam es unter der Verumgabe signifikant häufiger zu Übelkeit und Erbrechen. "Darüber hinaus geht aus den Fachinformationen der eingesetzten Substanzen hervor, dass unter Umständen auch mit zum Teil schwerwiegenden Nebenwirkungen zu rechnen ist", heißt es in dem MDS-Bericht. Bei insgesamt niedriger, für den Beleg von Nebenwirkungen aber laut Aussage der MDS-Autoren ausreichender Evidenzlage bewerten sie die rheologische Infusionstherapie beim Hörsturz als negativ.

Das Urteil steht im Einklang mit der bis Ende 2016 gültigen, nunmehr in Überprüfung befindlichen Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für HNO-Heilkunde, Kopf- und Halschirurgie zum akuten idiopathischen sensorineuralen Hörverlust. Als Behandlung empfiehlt sie primär systemische, hoch dosierte Glukokortikoide, unter Umständen auch als intratympanale Therapie. (rb)

Jetzt abonnieren
Schlagworte:
Mehr zum Thema

Große Datenbankanalyse

Schwindel als mögliches Warnsignal für Alzheimer

Zwei Injektionen im Jahr

Langwirksamer Antikörper bremst chronische Rhinosinusitis

Kommentare
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Jetzt neu jeden Montag: Der Newsletter „Allgemeinmedizin“ mit praxisnahen Berichten, Tipps und relevanten Neuigkeiten aus dem Spektrum der internistischen und hausärztlichen Medizin.

Top-Thema: Erhalten Sie besonders wichtige und praxisrelevante Beiträge und News direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Blutzuckervariabilität

Wie die Time Below Range das Diabetes-Management verbessert

Vor der Ferienzeit

Beratungsfall Reisemedizin: Worauf es im Patentengespräch ankommt

Lesetipps
Prophylaktische Maßnahmen sind der beste Weg, um Infektionen bei Krebspatientinnen und -patienten zu verhindern. Während und nach ihrer Chemotherapie sind sie dafür besonders anfällig. (Symbolbild)

© RFBSIP / stock.adobe.com

Vorbeugen ist besser als heilen

Wie die Infektionsprophylaxe bei Krebspatienten gelingt

Eine Frau liegt auf dem Sofa und hält sich den Bauch.

© dragana991 / Getty Images / iStock (Symbolbild mit Fotomodell)

Schmerzerkrankung

Endometriose-Leitlinie aktualisiert: Multimodale Therapie rückt in den Fokus