Chronische Hepatitis C

Plädoyer für frühestmögliche Therapie

Die Therapiedauer bei chronischer Hepatitis C wird sich weiter verkürzen. Nach dem Ende der Interferon-Ära verschwindet allmählich auch Ribavirin aus den Schemata.

Dr. Thomas MeißnerVon Dr. Thomas Meißner Veröffentlicht:
Dem Angriff von HCV auf die Leber wird heute mit gut verträglichen Therapieregime begegnet.

Dem Angriff von HCV auf die Leber wird heute mit gut verträglichen Therapieregime begegnet.

© bluebay2014/stock.adobe.com

FRANKFURT/MAIN. Bei der Behandlung von Patienten mit chronischer Hepatitis C mit direkt antiviral wirkenden Medikamenten (DAA) ist tendenziell mit einer weiteren Verkürzung der Therapiedauer zu rechnen. Dies erklärt sich unter anderem damit, dass die Zahl schwer therapiebarer Patienten, etwa mit fortgeschrittener Leberzirrhose, mit der Zeit abnehmen wird. Derzeit beanspruchen die meisten Behandlungsregime acht bis zwölf Wochen. "Der Trend geht für immer mehr HCVinfizierte Patienten Richtung acht Wochen", erklärte Professor Stefan Zeuzem, Hepatologe am Uniklinikum Frankfurt / Main, im Gespräch mit der "Ärzte Zeitung".

Voraussetzung dafür ist, dass die Hepatitis-C-Viren (HCV) "frühestmöglich" eradiziert werden, betont Zeuzem, besonders mit Blick auf HCV-assoziierte Komorbiditäten wie Diabetes, Leberzirrhose oder Nierenerkrankungen. "Je früher wir das schaffen, desto größer ist die Chance, den Patienten tatsächlich zu heilen!" Auf keinen Fall dürfe gewartet werden, bis die verschiedenen Grunderkrankungen fortgeschritten sind.

"Heilung": Eradikation des Virus

Unter "Heilung" wird die Eradikation des Virus verstanden – bereits bestehende Strukturschäden, etwa der Leber, verschwinden im Allgemeinen nicht. Auch das Risiko für das hepatozelluläre Karzinom sinkt nicht auf das der Durchschnittsbevölkerung. Deshalb werden auch nach erfolgreicher Anti-HCV-Therapie Leber-Sonografien in halbjährlichen Abständen empfohlen.

Interferon ist inzwischen völlig aus den Therapieschemata verschwunden und kommt nach Angaben von Zeuzem selbst als Zweitlinientherapie nicht mehr in Betracht. Ribavirin ist bei schwer zu eradizierenden HCV-Genotypen oder wenig sensitiven Virusmutanten noch eine sinnvolle Ergänzung zu den DAA, wird in Zukunft aber ebenfalls immer weniger benötigt werden. Damit werden die Regime zunehmend noch verträglicher. Bei einzelnen Regimen müsse sorgfältig auf Arzneimittelinteraktionen geachtet werden, so Zeuzem.

Er wies außerdem darauf hin, dass sich unter der antiviralen Therapie bei HCV-infizierten Diabetes-Patienten die Insulinresistenz deutlich bessere. "Das ist besonders für Insulin-therapierte Diabetes-Patienten bedeutsam. Denn die Insulindosis kann und muss unter erfolgreicher antiviraler Therapie angepasst werden." Es gelte also, unter DAA-Therapie den Blutzucker genau zu kontrollieren.

Im Unterschied zur Interferon-Ära ist es dagegen nicht mehr nötig, genau die Entwicklung der Viruslast zu beobachten. Bestimmungen der HCV-RNA werden, auch unter Kostengesichtspunkten, unter der Therapie nicht mehr vorgenommen. Allein aus der Kontrolle der Leber-Transaminasen lasse sich auf die Therapieadhärenz des Patienten rückschließen, so Zeuzem. "Die Leberwerte normalisieren sich üblicherweise sehr rasch."

Der Experte empfiehlt außerdem, selbst bei nur acht- bis zwölfwöchigen Therapieregimen die DAA-Medikation nicht über den gesamten Zeitraum zu verschreiben. Es gebe immer wieder Situationen, in denen die Patienten nicht in der Lage sind, die hochpreisigen Medikamente weiter zu nehmen, zum Beispiel wegen unerwünschter Wirkungen oder wegen Schicksalsschlägen wie Unfällen. "Wir geben daher ausschließlich Rezepte für N1-Packungen aus." Die notwendigen Folgetermine lassen sich für die klinische und labortechnische Kontrolle, vor allem aber auch für die Motivation der Patienten nutzen. "Ich bin überzeugt, dass diese Politik an unserem Zentrum mit ein Grund für die bei uns sehr hohen Ansprechraten ist", so Zeuzem.

Leitlinien der EASL

Ein Überblick über aktuelle Empfehlungen zur Therapie bei chronischer HCV-Infektion geben etwa die im September 2016 veröffentlichten neuen Leitlinien der EASL (European Association for the Study of the Liver; J Hepatol 2016; online 12. September). Auch die DGVS (Deutsche Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten) reagiert auf die dynamische Entwicklung bei HCV-Arzneien mit regelmäßigen Aktualisierungen ihrer Therapieempfehlungen (www.dgvs.de). Zwei neue Kombinationen gegen Hepatitis C sind jetzt gerade wieder in Sicht:

Der Europäische Ausschuss für Humanarzneimittel hat erst Ende Juni eine positive Empfehlung für die Zulassung des pangenotypischen Hepatitis-C-Therapieregimes Glecaprevir/Pibrentasvir (Maviret®) ausgesprochen. In Studien erzielten bis zu 100 Prozent der therapienaiven, nicht-zirrhotischen Patienten nach achtwöchiger Therapie eine SVR12.

Ein positives Votum vom Ausschuss für Humanarzneimittel der EMA gab es Ende Juni auch für Sofosbuvir/Velpatasvir/Voxilaprevir (Vosevi®), ein einmal täglich anzuwendendes Single-Tablet-Regime für Patienten mit chronischer Hepatitis C / Genotypen 1-6 mit oder ohne kompensierter Zirrhose unabhängig von der vorherigen Therapie, einschließlich einer 8-wöchigen Therapie von Patienten ohne Zirrhose, die nicht mit direkt antiviral wirksamen Substanzen (Direct Acting Antivirals, DAA) vorbehandelt sind bzw. einer 12-wöchigen Therapie für Patienten, bei denen zuvor ein Behandlungsschema mit DAAs versagt hat. (Mitarbeit: mal)

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