"Ich habe Krebs" - was bringt’s, wenn Prominente sich outen?

Ob die Sängerinnen Anastacia und Kylie Minogue, der Rad-Profi Lance Armstrong oder die Politikerin Regine Hildebrandt: Viele Prominente machen ihre Krebserkrankung öffentlich und rufen zur Vorsorge auf. Das hat einen Effekt - aber meist nur kurzfristig.

Veröffentlicht:

Hildegard Knef, die Diva des deutschen Films, war die erste Prominente in Deutschland, die öffentlich sagte: "Ich habe Brustkrebs". Zu dieser Zeit - es war Anfang der 70er Jahre - war Krebs noch ein gesellschaftliches Tabuthema. Dies bestätigte auch die frühere Leiterin der Pressestelle am Deutschen Krebsforschungszentrum, Hilke Stamatiadis-Smidt in einem Interview: "Vor etwa 30 Jahren glich der Begriff Krebs einer dunklen, amorphen Masse, über die man besser nicht sprach, weil sie Hoffnungslosigkeit enthielt. Das ist heute anders..."

Tatsächlich hat sich das Thema Krebs zu einem beliebten Medienthema entwickelt. Immer mehr Prominente, zuerst in den USA, zunehmend auch in Deutschland, machen ihre Krebserkrankung öffentlich.

Songs und Bücher über die eigene Krebserkrankung

Die amerikanische Sängerin Anastacia hat sich dazu bekannt und ihre Krankheit in einem Songalbum verarbeitet, Rad-Profi Lance Armstrong, der ein metastasiertes Hodenkarzinom überlebt und seine Krankheitsgeschichte in dem Buch "Tour des Lebens" in allen Details beschrieben hat, ist Hoffnungsträger für viele Krebskranke geworden. Wir wissen vom Prostatakrebs des ehemaligen US-Außenministers Colin Powell und vom Darmkrebs Ronald Reagans.

Herbert Grönemeyer hat seine Trauer um seine an Brustkrebs gestorbene Frau in dem musikalischen Bestseller "Mensch" öffentlich gemacht. Wir erinnern uns an die SPD-Politikerin Regine Hildebrandt, die ihre politische Arbeit mit und trotz ihrer Krebserkrankung bis zum Ende fortsetzte.

Opernstar Anna Netrebko, die Geigenspielerin Anne-Sophie Mutter und die Politikerin Heide Simonis setzten sich erst jüngst in einer medienwirksamen Kampagne für die Früherkennung von Brustkrebs ein. Der Opernstar: "Auch meine Mutter ist an Krebs gestorben..."

Erfreuliche Konsequenz dieser neuen Offenheit im Umgang mit Krebs ist zuerst, "daß der Krebs aus der Tabuzone geholt wird", sagt der Ludwigshafener Darmkrebsexperte Professor Jürgen F. Riemann, der vor einigen Jahren die Stiftung Lebensblicke zur Darmkrebsfrüherkennung ins Leben gerufen hat. Bei Darmkrebs habe man früher immer gerne weggeschaut, schließlich habe man den Darm als Schmuddelorgan betrachtet, und wenn dieses noch von Krebs befallen war, habe man sich schon gar nicht damit auseinandersetzen wollen, sagt Riemann.

Es war die Frau des früheren Verteidigungsministers Manfred Wörner, die als erste zur Darmkrebs-Früherkennung aufforderte. Nach dem Tode ihres an Darmkrebs gestorbenen Mannes machte sie öffentlich, daß auch sie daran erkrankt war. Sie hat nach Einschätzung Riemanns den Weg dafür geebnet, daß öffentlich auch über Darmkrebs gesprochen wurde.

Die Stiftung Lebensblicke hat inzwischen viele Prominente gewinnen können, die zur Früherkennung auffordern. In diese Richtung zielt auch die Felix-Burda-Stiftung, die sich mit Veranstaltungen und Aktionen für die Darmkrebsfrüherkennung einsetzt. Eine Person der Öffentlichkeit für eine solche Initiative zu gewinnen, bedeute nicht nur den Tabubruch, so Riemann, sondern es erleichtere auch, Geld zu aquirieren, um die Früherkennung bekannter zu machen.

Das Medienspektakel hat seinen Nutzen - kurzfristig

Hat das enorme Medienspektakel um das Thema Krebs auch einen Nutzen für die Früherkennung? Riemann bestätigt in der Tat eine verstärkte Inanspruchnahme der Darmspiegelungen im direkten zeitlichen Umfeld nach einer größeren Medienkampagne der Stiftung Lebensblicke oder der Burdastiftung und damit auch eine höhere Zahl an früh erkannten Kolonkarzinomen in den Stadien I und II. Allerdings sei im selben Zeitraum die Zahl der Stuhltests auf Darmkrebs zurückgegangen.

In Australien gibt es einen deutlichen "Kylie-Effekt"

Valide Zahlen für einen Dauererfolg solcher Kampagnen gibt es in Deutschland indes noch nicht, wie der Koordinator für Prävention bei der Deutschen Krebsgesellschaft, Dr. Volker Beck, bestätigt. Es sei jedoch davon auszugehen, daß das Outing von Prominenten und Appelle von VIPs, die Früherkennung zu nutzen, Wirkung zeigten. Allerdings verpuffen solche Appelle schnell, da eine Kontinuität nicht gegeben sei, glaubt Beck.

Die Zahlen des neuen Jahresberichts aus dem Jahre 2005 zur Krebs-Früherkennung bestätigen seine Befürchtungen. Danach sind die Deutschen nach wie vor Vorsorgemuffel: Nur etwa jeder fünfte Mann und jede zweite Frau nutzen nach der jüngsten Erhebung des Zentralinstituts für die kassenärztliche Versorgung Deutschlands die gesetzlichen Früherkennungsmaßnahmen.

Daß das öffentliche Bekenntnis einer Prominenten zum Krebs wirklich einen direkten positiven Effekt auf das Früherkennungsverhalten haben kann, zeigt ein Blick nach Australien. Nachdem die dortige Presse die Brustkrebskrankheit der australischen Sängerin Kylie Minogue (36) über Wochen zum Thema machte, stieg die Anmeldungsquote zur Mammographie innerhalb dieser Zeit in einigen Landesteilen sprunghaft, nämlich um 40 Prozent.

Der Anstieg der Zahl der Frauen zwischen 40 und 69 Jahren, die sich einer Röntgenuntersuchung außerhalb des öffentlichen Screening-Programms unterzogen, betrug gar über 100 Prozent. Sechs Wochen nach den Publikationen blieb die Anmeldungsquote bei den Frauen außerhalb des Screening-Programms immer noch um ein Drittel höher als vorher.

Die Autoren der Studie erwarten durch diesen "Kylie-Effekt" eine Senkung der Sterblichkeit an Brustkrebs. Vor allem jüngere Frauen seien zur Teilnahme an einem Screening ermuntert worden, stellten die Untersucher fest.

Vielleicht könne der Prominenten-Effekt auch bei uns das Früherkennungsbewußtsein verändern, glaubt Volker Beck, denn Prominente seien nicht nur Vorbild, sondern hätten auch eine Verantwortung. Ob Appelle zur Krebsfrüherkennung von VIPs mehr bewirken als die Aufforderung durch die Ärzte, muß allerdings noch bewiesen werden. (bd)

Ihr Newsletter zum Thema
Mehr zum Thema

Zahlen von vfa und IGES

Krebsmedikamente bleiben innovativ – und teuer

Krebs in Deutschland

Bei zwei Krebsarten nahm die Sterblichkeit am stärksten ab

Das könnte Sie auch interessieren
Innovationsforum für privatärztliche Medizin

© Tag der privatmedizin

Tag der Privatmedizin 2025

Innovationsforum für privatärztliche Medizin

Kooperation | In Kooperation mit: Tag der Privatmedizin
Klaus Reinhardt, Präsident der Bundesärztekammer und Vizepräsident der Ärztekammer Westfalen-Lippe, hofft, dass das BMG mit der Prüfung des Kompromisses zur GOÄneu im Herbst durch ist (Archivbild).

© picture alliance / Jörg Carstensen | Joerg Carstensen

Novelle der Gebührenordnung für Ärzte

BÄK-Präsident Reinhardt: Die GOÄneu könnte 2027 kommen

Die Chancen der Vitamin-C-Hochdosis-Therapie nutzen

© Pascoe pharmazeutische Präparate GmbH

Vitamin-C-Therapie

Die Chancen der Vitamin-C-Hochdosis-Therapie nutzen

Anzeige | Pascoe pharmazeutische Präparate GmbH
Medizinischer Infusions-Tropf mit buntem Hintergrund

© Trsakaoe / stock.adobe.com

Hochdosis-Therapie

Vitamin C bei Infektionen und Long-COVID

Anzeige | Pascoe pharmazeutische Präparate GmbH
Maximale Vitamin-C-Blutspiegel nach oraler (blau) und parenteraler (orange) Tagesdosis-Gabe.

© Pascoe pharmazeutische Präparate GmbH

Vitamin-C-Infusion

Parenterale Gabe erzielt hohe Plasmakonzentrationen an Vitamin C

Anzeige | Pascoe pharmazeutische Präparate GmbH
Kommentare
Sonderberichte zum Thema
Abb. 1: FIB-4 1,3: numerische 26%ige Risikoreduktion der 3-Punkt-MACE durch Semaglutid 2,4mg

© Springer Medizin Verlag GmbH, modifiziert nach [17]

Kardiovaskuläre, renale und hepatische Komorbiditäten

Therapie der Adipositas – mehr als Gewichtsabnahme

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Novo Nordisk Pharma GmbH, Mainz
SCD-PROTECT-Studie-- Frühe Phase nach Diagnose einer Herzinsuffizienz – deutlich höheres Risiko für den plötzlichen Herztod als in der chronischen Phase.

© Zoll CMS

SCD-Schutz in früher HF-Phase

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: ZOLL CMS GmbH, Köln
Durvalumab im Real-World-Vergleich

© Springer Medizin Verlag

ED-SCLC

Durvalumab im Real-World-Vergleich

Sonderbericht | Beauftragt und finanziert durch: AstraZeneca GmbH, Hamburg
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Jetzt neu jeden Montag: Der Newsletter „Allgemeinmedizin“ mit praxisnahen Berichten, Tipps und relevanten Neuigkeiten aus dem Spektrum der internistischen und hausärztlichen Medizin.

Top-Thema: Erhalten Sie besonders wichtige und praxisrelevante Beiträge und News direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Interview

Wie Ärzte in Stresssituationen richtig reagieren können

Krebs in Deutschland

Bei zwei Krebsarten nahm die Sterblichkeit am stärksten ab

Verschmutzte Luft

Was Reinigungsmittel in der Lunge anrichten können

Lesetipps
Serotoninkristalle, die ein Muster ergeben.

© Michael W. Davidson / Science Photo Library

Für wen passt was?

Therapie mit Antidepressiva: Auf die Nebenwirkungen kommt es an