Monsanto

US-Glyphosat-Verfahren spaltet

Es ist fraglich, welche Bedeutung das Monsanto-Krebsurteil für den Hersteller und für Betroffene hat. Trotzdem: Die Aktie der Konzernmutter Bayer brach erst einmal ein.

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In einem Schadenersatz-Prozess in den USA wurde der Glyphosat-Hersteller Monsanto zur Zahlung von 289 Millionen Dollar verurteilt.

In einem Schadenersatz-Prozess in den USA wurde der Glyphosat-Hersteller Monsanto zur Zahlung von 289 Millionen Dollar verurteilt.

© Zerbor / stock.adobe.com

SAN FRANCISCO. Es ist ein Urteil, das bahnbrechend sein könnte: Der Agrarchemie-Riese Monsanto muss einem Krebspatienten in den USA wegen verschwiegener Risiken seiner Unkrautvernichter Schadenersatz in dreistelliger Millionenhöhe zahlen. So hat es jedenfalls ein Geschworenengericht in Kalifornien angeordnet.

Die Jury habe Monsanto klargemacht, dass die "Jahre der Täuschung" vorbei seien, sagte Klägeranwalt Brent Wisner nach der Urteilsverkündung. Allein in den USA sind über 4000 weitere ähnliche Klagen anhängig.

Nach dem Urteil ist die Aktie der neuen Monsanto-Mutter Bayer am Montag um bis zu 14 Prozent eingebrochen. Sie notierte am Montagmorgen teils auf dem niedrigsten Stand seit Juli 2013. Befürchtet wird, dass das Urteil der Geschworenen in Kalifornien Schule machen könnte.

Ein Präzedenzfall?

Die Entscheidung wurde weltweit mit Spannung erwartet. Denn es handelte sich um den ersten Schadenersatz-Prozess, der sich mit der seit Jahren strittigen Frage befasste, ob Produkte von Monsanto Krebs erregen können. Doch hat die Jury mit ihrem harten Urteil tatsächlich Klarheit in diesem Konflikt geschaffen? Und wird das seit Kurzem zum Bayer-Konzern gehörende US-Unternehmen die hohe Strafe am Ende wirklich zahlen?

Geklagt hatte der an Lymphdrüsenkrebs leidende Dewayne "Lee" Johnson, der als Platzwart an kalifornischen Schulen häufig Unkrautvernichter wie Roundup und Ranger Pro von Monsanto verwendete. Der 46-Jährige machte die Produkte, die den umstrittenen Wirkstoff Glyphosat enthalten, für seine Erkrankung verantwortlich und beschuldigte das Unternehmen aus St. Louis, die Risiken bewusst verschwiegen zu haben.

Er hätte Roundup niemals an Schulen eingesetzt, wenn er die Gefahren gekannt hätte, sagte Johnson bei dem rund vierwöchigen Prozess vor Gericht und erhob schwere Vorwürfe an Monsanto. "Es ist unethisch. Es ist falsch. Menschen verdienen so etwas nicht", so der schwer von seinem Krebsleiden gezeichnete Kläger. Johnsons Prozess wurde vorgezogen, weil die Ärzte mit seinem baldigen Tod rechnen.

Monsanto zu Schadenersatz in Höhe von 289 Mio. Dollar verurteilt

Nach nur dreitägigen Beratungen verurteilte die Jury Monsanto am Freitag einstimmig, Johnson Schadenersatz in Höhe von ingesamt 289 Millionen Dollar (rund 254 Millionen Euro) zu zahlen. Für Monsanto, das einen Zusammenhang zwischen Krebs und seinen Produkten abstreitet, ist die Entscheidung eine herbe Schlappe. Die Geschworenen befanden, dass das Unternehmen mit Vorsatz gehandelt habe und bestraft werden müsse. Allein in den USA laufen über 4000 weitere ähnliche Klagen gegen Monsanto, für die diese Entscheidung wegweisend sein könnte.

Bei Johnson handelte es sich nur um einen Einzelfall, doch weil es das erste Urteil war, stand das Verfahren stark im Fokus der Öffentlichkeit. Die harte Strafe könnte deshalb besonders große Imageschäden anrichten. Monsantos Ruf ist allerdings ohnehin schon ziemlich ramponiert, die neue Konzernmutter Bayer will den Namen verschwinden lassen, wenn die Übernahme vollzogen ist.

Für die zentrale Streitfrage, ob das Herbizid Glyphosat krebserregend ist, hat das Urteil indes nur begrenzte Aussagekraft. Anders als die Jury im aktuellen Fall zeigt sich etwa der US-Bundesrichter Vince Chhabria, bei dem viele Sammelklagen gebündelt sind, skeptisch, ob die Beweislage einen Zusammenhang wirklich eindeutig belegen kann. Letztlich ist das Urteil im Fall Johnson nur eines von vielen, die noch folgen werden.

Der Chemiekonzern Bayer zeigt sich ebenfalls irritiert. „Das Urteil steht im Widerspruch zu wissenschaftlichen Erkenntnissen, wonach kein Zusammenhang besteht zwischen dem Einsatz von Glyphosat und dem Non-Hodgkin-Lymphom“, sagte ein Bayer-Sprecher der Deutschen Presse-Agentur.

Der Konzern sei überzeugt, dass Glyphosat „sicher und nicht krebserregend ist“. Das hätten auch Einschätzungen von Regulierungsbehörden weltweit sowie die jahrzehntelange praktische Erfahrung mit dem Wirkstoff ergeben.

Glyphosat und Krebs: Wie sicher ist der Zusammenhang?

Und es ist keineswegs klar, wie die anderen Verfahren verlaufen werden. Monsanto und Bayer verweisen auf "mehr als 800 wissenschaftliche Studien, die US-Umweltbehörde EPA, die Nationalen Gesundheitsinstitute und Aufseher weltweit" die zu dem Schluss gekommen seien, dass Glyphosat sicher sei und es keinen Krebs verursache.

Dem entgegen steht jedoch insbesondere die Internationale Krebsforschungsagentur der Weltgesundheitsorganisation (WHO), die den den Unkrautvernichter 2015 als "wahrscheinlich krebserregend" für Menschen einstufte.

Der Saatguthersteller hat bereits angekündigt, Berufung gegen das Urteil einzulegen und Roundup auch in Zukunft "nachdrücklich verteidigen" zu wollen. Es ist in den USA alles andere als ungewöhnlich, dass die Strafzahlungen bei solchen Verfahren später erheblich verringert oder die Urteile in der nächsten Instanz wieder einkassiert werden.

Bundesregierung und EU äußern sich

Aus Sicht der Bundesregierung hat das Urteil auch keinen Einfluss auf die in Deutschland geplanten Einschränkungen. Das Agrarministerium teilte mit, es habe sich mit dem Urteil nichts geändert und verwies auf einen in die regierungsinterne Abstimmung gegebenen Verordnungsentwurf. Vorgesehen ist unter anderem, das Unkrautgift für Private weitgehend zu verbieten und Bauern strengere Vorschriften zu machen.

Die EU-Kommission verwies am Montag in Brüssel auf die Entscheidung vom Dezember, das Mittel grundsätzlich weitere fünf Jahre auf dem Markt zu lassen. Das Urteil ändere daran nichts. Es liege aber in der Hand der Mitgliedsstaaten, Lizenzen für die Nutzung zu erteilen. (dpa)

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