US-Studie

NSCLC – Forscher entdecken Virus-DNA im Tumorgewebe

Im Tumorgewebe von Patienten mit einem nicht kleinzelligen Lungenkarzinom haben US-Forscher virale Gene entdeckt, die unterschiedlich stark exprimiert werden und den Stoffwechsel der Zellen beeinflussen. Unter den entdeckten Virus-DNA-Molekülen sind auch jene des Rinderleukämievirus. Die Bestätigung eines kausalen Zusammenhangs steht noch aus.

Peter LeinerVon Peter Leiner Veröffentlicht:
In einer Studie enthielten die meisten Gewebeproben von nicht kleinzelligen Lungentumoren , die sie untersucht hatten, virale DNA.

In einer Studie enthielten die meisten Gewebeproben von nicht kleinzelligen Lungentumoren , die sie untersucht hatten, virale DNA.

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Das Wichtigste zur Studie in Kürze

  • Frage: Ist Virus-DNA, die in Karzinomen der Lunge, aber nicht in gesundem Gewebe gefunden wird, an der Pathogenese des NSCLC beteiligt?
  • Antwort: Aufgrund des jeweiligen Expressionsmusters der viralen Gene gehen die Wissenschaftler davon aus, dass die Gene der Tumorzellen während der Entwicklung des NSCLC durch die entsprechenden Virusgene reguliert werden.
  • Bedeutung: Die Wechselwirkung ist ein starker Hinweis darauf, dass es sich nicht einfach um zufällig vorhandene Virus-DNA handelte, sondern um funktionell aktive Viren, deren Beteiligung an der NSCLC-Pathogenese weiter aufgeschlüsselt werden muss.

TAMPA. Es wird geschätzt, dass bei 20 Prozent der Krebserkrankungen weltweit Viren eine pathogenetische Bedeutung haben. Bekannteste Beispiele für eine Beteiligung an der Krebsentstehung sind humane Papillomviren beim Zervixkrebs und Hepatitis-B-Viren beim Leberkrebs. In Deutschland gehen Wissenschaftler des Deutschen Krebszentrums davon aus, dass vier von 100 Krebserkrankungen auf Infektionen zurückzuführen sind.

Genexpressionsmuster untersucht

Youngchul Kim und seine Kollegen vom Moffitt Cancer Center in Tampa / USA hatten in einer früheren Studie herausgefunden, dass in den meisten Gewebeproben von nicht kleinzelligen Lungentumoren (NSCLC), die sie untersucht hatten, virale DNA nachweisbar war. In ihrer aktuellen Studie prüften sie, ob es Unterschiede im Expressionsmuster von Genen in Tumoren mit und ohne Virusinfektion gibt (BMC Cancer 2018; 18: 843).

70 Gewebeproben standen ihnen für die molekulargenetische Untersuchung zur Verfügung. Die Proben stammten von Patienten mit einem Adenokarzinom, bronchioalveolären Karzinom, Plattenepithelkarzinom, Lungentumoren im Stadium IV oder von Oligometastasen. Kontrollgewebe stammte von Menschen ohne Lungenerkrankung.

Für die Suche nach genetischen Markern nutzten die Wissenschaftler ein Testsystem auf einem Genchip, mit dem sich alle für Vertebraten pathogenen Keime nachweisen lassen, darunter mehr als 1800 Viren, fast 1400 Bakterien und 48 Pilze. Mithilfe der Polymerasekettenreaktion wurden die Testergebnisse validiert. Zudem untersuchten die Forscher, wie stark welche Gene in Gewebe mit bzw. ohne Virus-DNA exprimiert wurden.

Sie entdeckten in virusinfizierten Zellen zum Beispiel Gene, die den Zellzyklus oder die Funktion von Proteasomen beeinflussen und in NSCLC-Gewebe überexprimiert werden. Andere Gene, die im cAMP-Stoffwechselweg oder bei der Kontraktion glatter Gefäßmuskulatur bedeutsam sind, waren in den Tumorgeweben weniger stark exprimiert.

Verschiedene Virus-DNA-Moleküle

Wie die Forscher berichten, entdeckten sie in den meisten Plattenepithel- und Adenokarzinomen verschiedene Virus-DNA-Moleküle, nicht dagegen in krebsfreiem Lungengewebe. Gewebe mit Virus-DNA unterschied sich dabei hinsichtlich der Expression etwa von Onkogenen und für die Immunabwehr bedeutsamen Genen von Gewebe ohne Virus-DNA.

Kim und seine Kollegen hoben hervor, dass diese Unterschiede zum Beispiel beim Zellzyklus zu beobachten waren. Bekannt sei dies von Retroviren, die an der Krebsentstehung mithilfe von Onkogenen beteiligt sind.

Insgesamt 22 Gene wurden in primären NSCLC-Tumoren gefunden, die mit der Karzinogenese assoziiert sind. Zu den in Krebsgewebe entdeckten Viren gehörten in Plattenepithelkarzinomen das Rinderleukämievirus (Bovine Leukemia Virus, BLV), das Papillomavirus Typ 1 und das STLV1 (Simian T-cell leukemia virus Type 1). In Lungenkrebsmetastasen fand sich DNA des Sarkomvirus Y73 und in Gewebeproben eines primären NSCLC das lymphotrope Virus HTLV-1.

Überrascht waren die Wissenschaftler von den Ergebnissen zum Nachweis von DNA des BLV. Hauptwirt ist das Rind, und die meisten Wissenschaftler gehen davon aus, dass es nicht humanpathogen ist. Doch Kim und seine Kollegen entdeckten im Gewebe von Patienten mit Plattenepithelkarzinom bei 85 Prozent der Proben verschiedene Delta-Retroviren, darunter auch das BLV, das in Rindern lymphoproliferative Erkrankungen auslöst. Zudem wurden Unterschiede im Stoffwechsel ausgemacht zwischen BLV-positivem und -negativem Plattenepithelkarzinomgewebe.

Die Forscher erinnern daran, dass das Virus in einer Fall-Kontroll-Studie von 2015 im Gewebe von Frauen mit Brustkrebs entdeckt wurde und dass es in einer Studie mit Brustkrebspatientinnen eine Assoziation zwischen dem Nachweis von BLV und der Entstehung von Lungenkrebs gab. Allerdings sei der kausale Zusammenhang zwischen BLV-Infektion und Krebsentstehung und -progression derzeit nicht belegt. Um das Zusammenspiel zwischen viralen und Gewebegenen besser zu verstehen, seien weitere Forschungen erforderlich, so die Wissenschaftler.

Bereits im vergangenen Jahr hatten koreanische Wissenschaftler nachgewiesen, dass bei einer Subgruppe von NSCLC-Patienten der Nachweis des Merkelzell-Polyomavirus signifikant mit der Prognose und der Pathogenese assoziiert war (Medicine 2017; 96: e5413).

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