Frankreich

Hirntumor durch viel Handy-Telefonieren?

Nach bisheriger Datenlage erhöhen Handys die Krebsgefahr nicht. Doch womöglich gibt es eine Ausnahme: Wer in Frankreich fast permanent das Mobiltelefon am Ohr hat, scheint häufiger an Hirntumoren zu erkranken.

Von Thomas Müller Veröffentlicht:
Zu viel Handy-Telefonieren kann ermüdend sein - führt es auch zu Krebs?

Zu viel Handy-Telefonieren kann ermüdend sein - führt es auch zu Krebs?

© Benicce / fotolia.com

BORDEAUX. Eigentlich ist das Thema längst erledigt: Weder ließ sich in den Krebsregistern dieser Welt mit der Einführung der Mobiltelefone irgendwo ein erhöhtes Krebsrisiko allgemein noch eine erhöhte Inzidenz von Hirntumoren im Speziellen entdecken.

Auch konnten zwei große Kohortenstudien und die von der WHO initiierte Interphone-Studie keine Hinweise auf eine krebsfördernde Wirkung der Handynutzung erkennen.

Schließlich lieferten die meisten kleineren Fall-Kontroll-Studien widersprüchliche Ergebnisse: Mal war die Inzidenz von Hirntumoren umso niedriger, je mehr die Leute telefonierten, mal war es umgekehrt. Vieles deutet also darauf, dass der Einfluss der Handynutzung auf das Tumorrisiko zu vernachlässigen ist.

Wer sich dennoch etwas gruseln möchte, findet jetzt mit einer französischen Studie neues Futter: Danach glauben Hirntumorkranke in Frankreich, dass sie in der Vergangenheit häufiger mobil telefoniert haben als solche ohne Tumoren.

Aus diesem Glauben leiten Forscher um Dr. Gaëlle Coureau ab, dass häufiges Mobiltelefonieren möglicherweise das Hirntumorrisiko erhöhen könnte.

Risiko ab 900 Handystunden?

Für ihre Untersuchungen haben die Forscher von der Universität in Bordeaux 235 Patienten mit Gliomen und 194 Patienten mit Meningiomen nach ihren mobilen Quasselgewohnheiten befragt. Die Angaben verglichen sie mit denen von 892 Kontrollpersonen mit gleichem Alter, Geschlecht und Wohnort. (Occup Environ Med 2014; online 9. Mai)

Die Gliompatienten gaben zu Protokoll, im Median fünf Stunden pro Monat mobil telefoniert zu haben, nur halb so viele waren es in der Kontrollgruppe. Noch weniger, nur zwei Stunden, hatten allerdings die Meningiompatienten angegeben.

Ein ähnliches Bild ergab sich bei der Zahl der täglichen Anrufe sowie der im gesamten Leben vertelefonierten Stunden und der kumulativen Zahl der Telefongespräche: Gliompatienten glaubten stets, doppelt so häufig und in der Summe doppelt so lang telefoniert zu haben wie die Teilnehmer in der Kontrollgruppe, wohingegen die Meningiompatienten eher seltener zum Handy griffen.

Teilten die Forscher die Teilnehmer nun entsprechend ihres Handygebrauchs in Viel- und Wenignutzer ein, so war der Anteil der Vielnutzer (mehr als etwa 900 Stunden im bisherigen Leben) in der Gruppe mit Gliomen besonders hoch, aber auch in der Gruppe mit Meningiomen.

Daraus lässt sich bei Vieltelefonieren ein signifikantes, etwa zweieinhalbfach höheres Risiko für Gliome und Meningiome ableiten.

Schwachstelle: Subjektive Angaben

Allerdings hat die Studie eine große Schwäche: Sie beruht hauptsächlich auf subjektiven Angaben, und die sind oft fehlerhaft - schließlich können sich die meisten Menschen nicht mehr so genau daran erinnern, wie häufig und wie lange sie in der Vergangenheit mobil telefoniert haben (Recall Bias).

Zudem weiß man aus anderen Studien, dass Krebspatienten bei Befragungen potenzielle Risikofaktoren überbewerten, weil sie darin eine mögliche Ursache für ihre Erkrankung sehen.

Letztlich zeigt die Studie also nur, dass Hirntumorpatienten in bestimmten Regionen in Frankreich glauben, häufiger telefoniert zu haben als solche ohne Tumoren.

Ob das tatsächlich der Fall ist, und falls ja, ob die Hirntumoren dann tatsächlich etwas mit der Handynutzung zu tun haben, lässt sich mit dieser Art von Untersuchungen jedenfalls nicht klären.

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