HINTERGRUND

Hämochromatose - defektes Lebergen stört Darmfunktion

Von Annette Tuffs Veröffentlicht:
MRT der Leber bei Hämochromatose: Die eisenhaltige Leber ist dunkel.

MRT der Leber bei Hämochromatose: Die eisenhaltige Leber ist dunkel.

© Foto: Falk Foundation

Die Ursache für Hämochromatose ist eine primäre Erkrankung der Leber und nicht - wie bislang angenommen - des Dünndarms. Forscher der Universität Heidelberg und des Europäischen Laboratoriums für Molekularbiologie (EMBL) haben im Tiermodell nachgewiesen, dass ein defektes Lebergen ausschlaggebend ist. Durch den Defekt wird die Produktion des Hormons Hepcidin gedrosselt, das im Darm die Eisenaufnahme hemmt (Cell Metab 2, 2008, 173).

In Deutschland sind 100 000 Menschen betroffen

Die Hämochromatose gehört zu den häufigsten erblichen Stoffwechselerkrankungen in Nordeuropa: Allein in Deutschland sind nach Schätzungen bis zu 100 000 Menschen erkrankt. Bei der Krankheit nimmt der Dünndarm verstärkt Eisen aus der Nahrung auf.

Da der Körper überschüssiges Eisen nicht ausscheiden kann, lagert es sich in Organen wie Leber, Bauchspeicheldrüse und Herz sowie in den Gelenken ab und schädigt deren Funktion. Leberkrebs, Diabetes mellitus, Herzmuskelschwäche und Gelenkerkrankungen sind die häufigen Folgen. Die Erkrankung beginnt schleichend und wird bei Männern zwischen dem 20. und 40. Lebensjahr diagnostiziert, bei Frauen oft erst nach den Wechseljahren, da sie meist erhöhten Eisenbedarf haben. Therapie erster Wahl sind Aderlässe.

MRT der Leber bei Hämochromatose: Mit Therapie sinkt die Eisenspeicherung, die Leber wird heller.

MRT der Leber bei Hämochromatose: Mit Therapie sinkt die Eisenspeicherung, die Leber wird heller.

© Foto: Falk Foundation

Ursache ist ein Defekt des Gens HFE auf Chromosom 6

Die genetische Ursache der Erkrankung ist bekannt: das bereits 1996 entdeckte Gen HFE, das auf Chromosom 6 liegt. "Wir wussten bereits, dass die Hämochromatose auftritt, wenn HFE defekt ist", sagte Professor Martina Muckenthaler von der Abteilung Onkologie, Hämatologie, Immunologie und Pneumologie am Zentrum für Kinder- und Jugendmedizin Heidelberg. "Wir wussten allerdings nicht, in welchem Organ oder Gewebe HFE aktiv sein muss, um den Eisenüberschuss zu verhindern."

Um das herauszufinden, züchteten die Heidelberger Forschungsgruppen um Muckenthaler, Professor Wolfgang Stremmel, Ärztlicher Direktor der Abteilung Gastroenterologie, Hepatologie, Infektionskrankheiten und Vergiftungen und Professor Matthias Hentze, Vizedirektor des EMBL, Mäuse, denen jeweils in unterschiedlichen Geweben das Gen HFE fehlte.

Dabei kam heraus: Nur diejenigen Mäuse zeigten alle Symptome der Erkrankung, denen das kritische Gen in den Leberzellen fehlte. "Lange Zeit ging die Wissenschaft davon aus, dass die Hämochromatose eine Erkrankung des Darmes sei, weil hier die Eisenaufnahme stattfindet", so Hentze. "Unsere Forschungen beweisen aber: Die Leber ist stattdessen die Schwachstelle."

Das Gen HFE enthält die Bauanleitung für ein Eiweiß, mit dessen Hilfe die Leberzellen feststellen können, dass der Körper ausreichend Eisen aufgenommen hat. Daraufhin produzieren die Leberzellen ein spezielles Hormon - Hepcidin - das in den Blutkreislauf ausgeschüttet wird. Hepcidin hemmt dann im Darm die Eisenaufnahme. "HFE fördert über eine ganze Reihe von Zwischenschritten die Bildung von Hepcidin. Ist dieses Gen defekt, wird zu wenig Hepcidin produziert", erklärt Muckenthaler. "Die Eisenaufnahme im Darm kann dann nicht mehr gedrosselt werden und es sammelt sich im Körper ein Überschuss an Eisen an."

Mehr Informationen im Web unter: www.haemochromatose.org oder www.klinikum.uni-heidelberg.de/Molekulare-Onkologie-und-Haematologie.6683.0.html und www.embl.org/research/partners/mmpu/team3.html

STICHWORT

Hämochromatose

Es gibt keine typischen Frühsymptome bei Hämochromatose. Unspezifische Probleme wie Müdigkeit und Abgeschlagenheit sind häufig. Auch Gelenkbeschwerden können schon früh vorkommen; meistens sieht man dann im Röntgenbild noch gar nichts. Typischerweise sind Grund- und Mittelgelenk des Zeige- und Mittelfingers betroffen. Typische Laborbefunde sind erhöhte Leberenzym-Werte, eine Ferritin-Erhöhung und pathologische Transferrin-Sättigung

Mit Aderlässen, ErythrozytenApherese (Abtrennung von Erythrozyten und Reinfusion etwa von Leukozyten und Thrombozyten) sowie mit Chelatbildnern werden die Eisenspeicher geleert. Therapieziel sind niedrige Ferritin-Werte von 20 bis 50 µg pro Liter. (gwa)

Ihr Newsletter zum Thema
Mehr zum Thema

Frühe Nutzenbewertung

G-BA: Geringer Zusatznutzen für Nivolumab bei Ösophaguskrebs

Zentralnervöse und psychiatrische Nebenwirkungen

Promethazin bei Kindern unter sechs Jahren nun kontraindiziert

Kardiovaskuläre, renale und hepatische Komorbiditäten

Therapie der Adipositas – mehr als Gewichtsabnahme

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Novo Nordisk Pharma GmbH, Mainz
Das könnte Sie auch interessieren
Innovationsforum für privatärztliche Medizin

© Tag der privatmedizin

Tag der Privatmedizin 2025

Innovationsforum für privatärztliche Medizin

Kooperation | In Kooperation mit: Tag der Privatmedizin
Klaus Reinhardt, Präsident der Bundesärztekammer und Vizepräsident der Ärztekammer Westfalen-Lippe, hofft, dass das BMG mit der Prüfung des Kompromisses zur GOÄneu im Herbst durch ist (Archivbild).

© picture alliance / Jörg Carstensen | Joerg Carstensen

Novelle der Gebührenordnung für Ärzte

BÄK-Präsident Reinhardt: Die GOÄneu könnte 2027 kommen

Die Chancen der Vitamin-C-Hochdosis-Therapie nutzen

© Pascoe pharmazeutische Präparate GmbH

Vitamin-C-Therapie

Die Chancen der Vitamin-C-Hochdosis-Therapie nutzen

Anzeige | Pascoe pharmazeutische Präparate GmbH
Medizinischer Infusions-Tropf mit buntem Hintergrund

© Trsakaoe / stock.adobe.com

Hochdosis-Therapie

Vitamin C bei Infektionen und Long-COVID

Anzeige | Pascoe pharmazeutische Präparate GmbH
Maximale Vitamin-C-Blutspiegel nach oraler (blau) und parenteraler (orange) Tagesdosis-Gabe.

© Pascoe pharmazeutische Präparate GmbH

Vitamin-C-Infusion

Parenterale Gabe erzielt hohe Plasmakonzentrationen an Vitamin C

Anzeige | Pascoe pharmazeutische Präparate GmbH
Kommentare
Sonderberichte zum Thema
Abb. 1: FIB-4 1,3: numerische 26%ige Risikoreduktion der 3-Punkt-MACE durch Semaglutid 2,4mg

© Springer Medizin Verlag GmbH, modifiziert nach [17]

Kardiovaskuläre, renale und hepatische Komorbiditäten

Therapie der Adipositas – mehr als Gewichtsabnahme

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Novo Nordisk Pharma GmbH, Mainz
SCD-PROTECT-Studie-- Frühe Phase nach Diagnose einer Herzinsuffizienz – deutlich höheres Risiko für den plötzlichen Herztod als in der chronischen Phase.

© Zoll CMS

SCD-Schutz in früher HF-Phase

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: ZOLL CMS GmbH, Köln
Abb. 2: Schneller Wirkeintritt von Naldemedin im Vergleich zu Placebo in den Studien COMPOSE-1 und COMPOSE-2

© Springer Medizin Verlag GmbH, modifiziert nach [15]

Opioidinduzierte Obstipation

Selektive Hemmung von Darm-Opioidrezeptoren mit PAMORA

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Viatris-Gruppe Deutschland (Mylan Germany GmbH), Bad Homburg v. d. Höhe
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Jetzt neu jeden Montag: Der Newsletter „Allgemeinmedizin“ mit praxisnahen Berichten, Tipps und relevanten Neuigkeiten aus dem Spektrum der internistischen und hausärztlichen Medizin.

Top-Thema: Erhalten Sie besonders wichtige und praxisrelevante Beiträge und News direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Krebs in Deutschland

Bei zwei Krebsarten nahm die Sterblichkeit am stärksten ab

Geldanlage

Vermögen auf Rezept: Wie sich eine langfristige Finanzplanung auszahlt

Lesetipps
Serotoninkristalle, die ein Muster ergeben.

© Michael W. Davidson / Science Photo Library

Für wen passt was?

Therapie mit Antidepressiva: Auf die Nebenwirkungen kommt es an

Eine junge Frau fasst sich an ihren schmerzenden Ellenbogen.

© Rabizo Anatolii / stock.adobe.com

Laterale Ellbogenschmerzen

Diese sechs Kriterien sprechen gegen einen „Tennisarm“

Die Luftbelastung in Innenräumen mit Reinigungsprodukten betrifft jede Person. Sie beeinflusst unsere Lungenfunktion, und das lebenslang. Diese Gefahr wird unterschätzt. So die Meinung einer Pneumologin aus Italien.

© natali_mis / stock.adobe.com

Verschmutzte Luft

Was Reinigungsmittel in der Lunge anrichten können