Paracetamol-Intoxikation

Sanftere Entgiftung möglich

Ein modifiziertes Acetylcystein-Therapieschema über nur zwölf Stunden zur Behandlung einer Paracetamolvergiftung bringt weniger Nebenwirkungen und Therapieunterbrechungen mit sich als das Standardregime über 20-25 Stunden.

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Zu viel ist ungesund.

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© Mara Zemgaliete / fotolia.com

EDINBURGH. Eine Paracetamolintoxikation kann mit einem modifizierten Acetylcystein-Therapieregime über zwölf Stunden mit geringerer Nebenwirkungsrate behandelt werden als mittels Standardschema über 20-25 Stunden.

Übelkeit, Erbrechen und anaphylaktische Reaktionen sind seltener und die Therapie muss nicht so häufig unterbrochen werden. Vorteile bringt auch die Vorbehandlung mit Ondansetron (Lancet 2013, online 28. November).

Die Paracetamolvergiftung ist die häufigste Ursache für akutes Leberversagen in Europa und Nordamerika. Mit Acetylcystein i.v. kann der Intoxikation wirksam begegnet werden. Allein in Großbritannien werden jährlich 18.000 bis 40.000 Patienten auf diese Weise behandelt.

Nebenwirkungsraten von bis zu 60 Prozent führen allerdings häufig zu Therapieunterbrechungen. Obwohl die Behandlung seit Langem etabliert ist, existiert bislang keine wegweisende Dosisfindungs-Studie.

Ziel der Faktorenanalyse von Nicholas Bateman und Kollegen von der Edinburgh University war es, zu prüfen, ob die Nebenwirkungen durch ein modifiziertes Behandlungsschema oder eine antiemetische Vorbehandlung verringert werden können.

Die Untersuchung wurde an drei Kliniken in Großbritannien durchgeführt. Zwar erhielten die Patienten mit akuter Paracetamolüberdosierung im Rahmen des modifizierten Regimes die gleiche Menge Acetylcystein wie bei der Standardbehandlung, aber in insgesamt kürzerer Zeit.

In der ersten Runde lief die Infusion zudem langsamer und war niedriger dosiert (modifiziertes Schema mit Acetylcystein i.v. über zwölf Stunden: 100 mg/kg in 200 ml über 2 h, 200 mg/kg in 1 l über 10 h, 0,5 l Dextrose 5 Prozent über 20-25 h; übliche Standardtherapie über 20-25 Stunden: 150 mg/kg in 200 ml über 15 Min., 50 mg/kg in 0,5 l über 4 h, 100 mg/kg in 1 l über 16 h).

Die beiden Therapiearme unterteilten sich nochmals in jeweils eine Gruppe mit und eine ohne zusätzliche Ondansetron-Vorbehandlung.

Weniger Übelkeit und Erbrechen

Zwei Stunden nach Beginn der Acetylcysteintherapie war bei 39 von 108 Probanden, die nach dem kurzen Protokoll behandelt wurden, Erbrechen bzw. Würgen aufgetreten oder die Patienten mussten akut mit einem Antiemetikum versorgt werden. In der Standardgruppe traf dies auf 71 von 109 zu.

Die Autoren errechneten daraus eine adjustierte Odds Ratio (OR) von 0,26. Für den Zeitraum bis zu zwölf Stunden nach Beginn der Acetylcysteininfusionen ermittelten die Autoren eine entsprechende OR für das modifizierte Schema vs. Standardtherapie von 0,37.

Der Gesamtvergleich der Probanden mit und ohne Ondansetron-Vorbehandlung ergab: Bei 45 von 109 Probanden mit dem Antiemetikum traten die o.g. Erscheinungen auf vs. 65 von 108 in der Placebogruppe (OR nach 2 h: 0,41; nach max. 12 h: 0,35).

Die zusätzliche Vorbehandlung mit Ondansetron verringerte die Zahl der Patienten, die innerhalb von zwölf Stunden eine akute antiemetische Therapie benötigten, sowohl mit dem modifizierten als auch mit dem Standardregime.

Anaphylaktische Symptome traten bei insgesamt 64 Prozent der Probanden auf. Zu 38 Prozent wurden sie als leicht, zu 9 Prozent als mittelschwer und zu 17 Prozent als schwer klassifiziert.

Schwere anaphylaktische Symptome ergaben sich bei fünf Teilnehmern mit verkürztem Acetylcystein-Regime und bei 31 unter Standardbedingungen (adj. OR 0,23). Die Vorbehandlung mit Ondansetron hatte keinen Einfluss.

ALT-Anstieg unter Ondansetron

Die Zahl der Probanden, bei denen die Alanin-Aminotransferase-Aktivität (ALT, GPT) um 50 Prozent des Ausgangswertes anstieg (sekundärer Endpunkt), differierte nicht signifikant zwischen den beiden Acetylcystein-Regimen.

Allerdings machte es einen Unterschied, ob die Patienten mit Ondansetron vorbehandelt wurden oder nicht (16/111 Anstieg nach Ondansetron vs. 6/111 mit Placebo).

Obwohl dieser Effekt nach Ansicht der Autoren klinisch nicht relevant zu sein scheint, halten sie dennoch weitere Untersuchungen für erforderlich, bevor Ondansetron routinemäßig eingesetzt werden kann. Sie betonen außerdem, dass weitere Untersuchungen mit mehr Probanden nötig sind, um die Wirksamkeit des modifizierten Acetylcysteinregimes zu bestätigen. (St)

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