Querschnittgelähmte bekommen Kontrolle über Blase zurück

TÜBINGEN (mut). Querschnittgelähmte Patienten können nach einem neurochirurgischen Eingriff ihre Blase wieder kontrolliert entleeren. Dazu werden Nervensignale vom Unterschenkel an die Blase umgeleitet. Wenn sich die Patienten nach der Op in den Unterschenkel kneifen, kontrahiert die Blase.

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Das Operationsverfahren hat sich bereits in den USA und China bei über 100 Patienten bewährt und wurde jetzt am Uniklinikum Tübingen erstmals auch in Europa angewandt. Dort wurden mit dem Verfahren bereits drei Patienten behandelt.

Erste Ergebnisse werden aber in einigen Monaten erwartet, wenn die neu verschalteten Nerven gut zusammengewachsen sind, so Professor Marcos Soares Tatagiba von der Neurochirurgischen Klinik in Tübingen.

Und so geht das Team aus Neurochirurgen und Urologen vor: Sie verbinden Nervenfasern, die Signale von der Unterschenkelmuskulatur erhalten, mit Nervenfasern, die zur Blase führen.

    Ein starker Druckreiz am Unterschenkel wird an die Blasenmuskeln umgeleitet.
   

Dazu werden Fasern von Rückenmarks-Wurzel für den Unterschenkelbereich mit motorischen Wurzeln für den Bereich für den Blasensphinkter und den Blasenmuskel verbunden. Ein starker Druckreiz am Unterschenkel wird somit an die Blasenmuskeln umgeleitet und läßt die Blase kontrahieren.

Während der Op kontrollieren Urologen den Blasendruck. Gleichzeitig reizen die Neurochirurgen unterschiedliche Fasern in den Rückenmarkswurzeln und schauen, welche sich am besten eignen, um den Blasendruck zu verändern und die Blase zu kontrahieren. Diese werden dann für eine Verknüpfung ausgewählt. Gelingt die Op, so können die Patienten nach etwa einem Jahr wieder kontrolliert pinkeln, indem sie sich in den Unterschenkel kneifen.

"Die Erfolgs-Chance liegt bei etwa 70 Prozent", so Tatagiba zur "Ärzte Zeitung" - zumindest bei den bisher in China und den USA operierten Patienten. Geeignet ist die Methode für querschnittgelähmte Patienten mit spastischer, nicht aber schlaffer Blase. Es wurden auch Patienten erfolgreich behandelt, die seit 15 Jahren querschnittgelähmt sind.

Die Methode ist zudem eine Option für Patienten mit Lähmungen durch Rückenmarks-Tumoren oder bei Kindern mit Myelo-Meningozele, und sie kann einen Katheter komplett ersetzen. Damit sinkt auch das Risiko für rezidivierende Blaseninfekte, die bei Katheter-Patienten häufig sind.

In Tübingen arbeiten bei dem Verfahren Ärzte der Berufsgenossenschaftlichen Klinik, der Urologischen Klinik und der Neurologischen Klinik zusammen.

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