Arznei-Warnung mit unerwünschter Wirkung

CHICAGO (mut). Der Schuss ging offenbar nach hinten los: Im Jahr 2003 wurde davor gewarnt, moderne Antidepressiva an Jugendliche zu verschreiben, weil die Arzneien möglicherweise das Suizidrisiko erhöhen. Seither erhalten Jugendliche viel seltener Antidepressiva. Gleichzeitig steigt die Suizidrate drastisch.

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Antidepressiva wie SSRI sollten bei Kindern und Jugendlichen nicht angewandt werden. Dieser Warnhinweis steht auch in Deutschland im Beipackzettel der SSRI. Vorausgegangen waren Warnungen der Zulassungsbehörden FDA und EMEA Ende 2003. Sie bezogen sich auf Studien, in denen sich suizidale Gedanken unter SSRI-Therapie verstärkten.

In der Praxis ist aber offenbar genau das Gegenteil der Fall: Die Arzneien können Suizide auch bei Kindern und Jugendlichen verhindern. Darauf weisen Dr. Robert D. Gibbons und seine Kollegen aus Chicago in den USA hin. Die Ärzte analysierten die Verschreibungsdaten von Antidepressiva an Kinder und Jugendliche in den USA und den Niederlanden und verglichen sie mit den Suizidraten.

Das überraschende Ergebnis: In den USA war die SSRI-Verschreibung an Kinder und Jugendliche bis 2003 stetig gestiegen. Zugleich war die Suizidrate in dieser Altersgruppe kontinuierlich gesunken. Nach der FDA-Warnung wurden 2004 aber 22 Prozent weniger SSRI verordnet, und die Suizidrate stieg um 14 Prozent - der größte jemals registrierte Anstieg innerhalb eines Jahres. In den Niederlanden war der Effekt noch drastischer: Die Zahl der Verordnungen bei Jugendlichen fiel 2004 ebenfalls um 22 Prozent, die Suizidrate stieg zugleich um 49 Prozent (Am J Psychiatry 164, 2007, 1356).

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