Umstellung eines Opioids muss ärztlich überwacht werden

FRANKFURT AM MAIN (hbr). Starke Opioid-Analgetika sollten nicht der Austauschpflicht durch Apotheken unterliegen. Denn eine Umstellung muss ärztlich überwacht werden, forderten Schmerzexperten in Frankfurt am Main.

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Eigentlich unterliegt die Verschreibung BTM-pflichtiger Substanzen ja besonderen Sorgfaltspflichten. Wenn es um Kostendämpfung geht, scheinen sich die Sorgen aber plötzlich in Luft aufzulösen. Denn seit April fallen auch die Opioide der WHO-Stufe 3 in die Austauschpflicht durch den Apotheker. Die Folgen trügen Ärzte und Patienten, sagte Dr. Thomas Nolte vom Schmerz- und Palliativzentrum Wiesbaden bei einer Veranstaltung von Mundipharma.

Der Arzt hat zwar ein Medikament verschrieben, aber keine Ahnung, was sein Patient bekommt. Es sei denn, er nutzt vorbeugend sein Aut-idem-Veto. Bei Komplikationen trägt er aber die Verantwortung - auch für das ihm unbekannte Austauschpräparat, das er gar nicht verordnet hat. Der Apotheker wiederum haftet für die vollen Kosten, wenn er nicht im vorgegebenen Rahmen austauscht.

Der Patient ist verunsichert, wenn er ein anderes Präparat als das verschriebene erhält. Widersetzen kann er sich aber nicht: Das Verordnete bekommt er oft nur dann, wenn er es komplett selbst zahlt. Ein Aufzahlen der Differenz zum preiswerteren Produkt ist nicht erlaubt.

Und selbst wirkstoffgleiche Präparate können klinisch relevante Unterschiede in der Bioverfügbarkeit haben, so Nolte. Eine der möglichen Folgen: eine Unterdosierung mit wieder aufbrechenden Schmerzen.

Tatsächlich belegen Daten von mehr als 400 chronisch Schmerzkranken, die mit einem starken Opioid behandelt wurden, dass die Schmerzen nach einer Umstellung des Präparates bei 85 Prozent der Patienten zugenommen haben. So könnten etwa bei retardiertem Oxycodon Unterschiede im Tempo der Wirkstoff-Freisetzung zwischen Original (Oxygesic®) und Generika auftreten. Darüber hinaus können abweichende Retardierungstechniken bei Oxycodon-Generika unter Alkohol zu stark beschleunigter Freisetzung des retardierten Wirkstoffs mit riskanter Überdosierung führen, dem Alcohol-Dose-Dumping, so Professor Harald Schweim von der Uni Bonn.

Jede Präparate-Umstellung in der Opioidtherapie entspricht demnach einer Neueinstellung, die ärztlich überwacht werden muss, sind sich Nolte und Schweim einig.

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