Harnsteine

Diagnosesystem erlaubt schnelle Analyse

Konsequente Nachsorge kann der erneuten Steinbildung nach einer Harnstein-Op vorbeugen. Hierfür muss jedoch die Zusammensetzung des Steins bekannt sein. Fraunhofer-Forscher entwickeln ein System, das die direkte Analyse nach dem Eingriff erlaubt.

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FREIBURG. Immer mehr Deutsche leiden an Harnsteinen. Die Zahl der Neuerkrankungen hat sich in den letzten zehn Jahren verdreifacht, meldet das Fraunhofer-Institut für Physikalische Messtechnik IPM.

Bleiben sie im Harnleiter stecken, verursachen sie kolikartige Schmerzen. Lassen sich die Steine nicht auflösen, werden sie per Stoßwellen behandelt oder minimalinvasiv per Endoskop zertrümmert und entfernt.

Bei vielen Patienten tritt das Leiden nach einer Behandlung erneut auf. Laut Studien kann eine konsequente Nachsorge die erneute Bildung von Steinen aber um 50  Prozent verringern. Empfehlungen zur Änderung der Ernährung oder zur medikamentösen Prävention basieren auf der Zusammensetzung des Steins.

IPM-Forscher entwickeln nun im Auftrag eines Industriepartners ein Mess- und Diagnosesystem, das die schnelle, automatisierte Analyse und somit eine maßgeschneiderte Nachsorge nach der Zertrümmerung ermöglicht. Dabei arbeiten sie eng mit der Sektion Urotechnologie an der Klinik für Urologie des Universitätsklinikums Freiburg zusammen, heißt es in der Mitteilung des Instituts.

Bisher wenig Diagnostik

"Nur sehr wenige Patienten mit Harnsteinerkrankung erhalten eine umfassende Anschlussdiagnostik und Beratung nach der Behandlung", wird PD Dr. Arkadiusz Miernik, Arzt und Wissenschaftler am IPM in Freiburg, in der Mitteilung zitiert.

Der Grund: Die derzeit angewendeten konventionellen Technologien wie die Infrarotspektroskopie sind kostenintensiv und aufwändig. Sie erfordern die Vorbereitung der Steinproben und werden von Speziallaboren durchgeführt. Da jedoch nur wenige Zentren die Analyse anbieten, beträgt die Wartezeit zum Ergebnis bis zu drei Wochen.

"In der Zwischenzeit ist der Patient entlassen, in der Regel zunächst beschwerdefrei und kommt nicht wieder zum Arzt. Zwar wird ihm empfohlen, regelmäßig ausreichend zu trinken, sich körperlich zu bewegen und eventuell vorhandenes Übergewicht abzubauen.

Ein ausführliches Abschlussgespräch bezüglich weiterer vorbeugender Maßnahmen einschließlich Analyse des individuellen Risikoprofils findet in der Regel nicht statt", sagt Miernik. Bestimmte Harnsteine entstehen aufgrund von Stoffwechselstörungen. Durch Steinanalyse lassen sich einige davon aufdecken - der Patient könnte somit auch medikamentös behandelt werden.

Ramanspektroskopie

Miernik und sein Team setzen bei der Analyse auf die Ramanspektroskopie. Sie ermöglicht eine schnelle Charakterisierung und unterscheidet die verschiedenen Steintypen eindeutig. Die Methode liefert für jedes Probenmolekül ein charakteristisches Spektrum im sichtbaren Wellenlängenbereich - einen "chemischen Fingerabdruck" des untersuchten Materials.

"Die Proben werden mit Laserlicht behandelt. Dabei strahlt etwa ein Prozent der Photonen mit einem probenspezifischen Wellenspektrum zurück. Die ermittelten Spektren listen wir in einer Datenbank auf", erklärt Miernik. Die bei der Ramanspektroskopie entstehende störende Hintergrundfluoreszenz konnten die Forscher softwareseitig extrahieren.

Die Methode kommt mit vergleichsweise günstigen optischen Komponenten aus und funktioniert auch bei nassen Proben. Die bisher erforderliche aufwändige Präparation entfällt. "Normalerweise müssen die Steine vor der Untersuchung getrocknet und pulverisiert werden. Das ist mit unserem Mess- und Diagnosesystem nicht nötig.

Die direkt bei dem Eingriff entnommenen Proben müssen nicht weiter zerkleinert werden, man kann sie theoretisch sofort in das Ramanspektrometer legen und analysieren", so Miernik. Zwar gibt es einige wenige Speziallabore, die das Verfahren mit großen Analysegeräten bereits durchführen könnten.

Doch ein kliniktaugliches kompaktes Gerät, das eine sofortige, automatisierte Diagnostik erlaubt, existiert bis dato nicht.

Prototyp vorhanden

Das Messsystem der IPM-Forscher liegt bereits als Prototyp vor. Die Wissenschaftler haben sowohl die Hard- als auch die Software entwickelt. Es muss allerdings noch kompakter gebaut und miniaturisiert werden, bevor es zur Marktreife gelangt.

Die Besonderheit des neuen Systems ist die spektrale Datenbank, mit der die Experten zunächst die Hintergrundfluoreszenz herausrechnen und dann automatisiert die Spektren identifizieren. Die Datenbank basiert auf den Daten von neun Reinstoffen, aus denen Harnsteine zu 99 Prozent bestehen.

Um die Software etablieren zu können, untersuchten die Forscher in der ersten Validierungsphase knapp 160 Harnsteinproben. Ein Referenzlabor bestätigte die Messergebnisse per Infrarotspektroskopie.

"Sobald das komplette System kliniktauglich ist, können Ärzte die Steinproben ihrer Patienten mit der Datenbank abgleichen und diagnostizieren", so Miernik. (eb)

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