Dauerperfusion schützt Spendernieren auf dem Weg zum Empfänger

Mit maschineller Perfusion kommt es seltener zu Problemen mit Spenderorganen. Das neue Verfahren ist etwa bei langen Transportzeiten von Vorteil.

Von Nicola Siegmund-Schultze Veröffentlicht:
Nierentransplantation in einer Klinik in Hessen. Mit einer Dauerperfusion beim Transport funktionieren die übertragenen Organe oft besser.

Nierentransplantation in einer Klinik in Hessen. Mit einer Dauerperfusion beim Transport funktionieren die übertragenen Organe oft besser.

© Foto: dpa

Seit Jahrzehnten werden viele Spendernieren transportiert, wie man einen Goldfisch mit nach Hause nimmt: in einem Plastikbeutel mit kühler Flüssigkeit. Diesen Vergleich zieht Herzchirurg Professor Falk-Udo Sack von der Uni Heidelberg.

So wird bei Spendernieren das entsprechende Aortensegment abgeklemmt, die Niere rasch mit kalter Perfusionslösung durchspült und dann - in Konservierungsflüssigkeit schwimmend - auf Eis transportiert. Dieses Verfahren ist in Deutschland und anderen Ländern des Eurotransplant-Verbundes bislang Standard. Sack plädiert jedoch für ein anderes Verfahren, um Organe effektiver vor Schäden durch die extrakorporale Lagerung zu bewahren: die Konservierung mit einem Dauerperfusionssystem (wir berichteten).

Erste große prospektive Studie zur Dauerperfusion

Bis zur Implantation einer Niere können bis zu 30 Stunden vergehen. Schon vor fünf, sechs Jahren wiesen die Ergebnisse retrospektiver Studien aus den USA darauf hin, dass ein stetes, aktives Durchspülen mit Perfusionslösung in der Zeit zwischen Ex- und Implantation das Organ besser schützt als passive Kühlung. Die Rate der Nieren, die erst verzögert ihre Funktion aufnehmen, lässt sich damit senken.

Nun ist die erste große prospektive Studie veröffentlicht worden, die die retrospektiv erzielten Befunde stützt (NEJM 360, 2009, 7). Von 336 Spendern, denen Organe nach ihrem Tod entnommen worden waren, wurden 672 Nieren entnommen und randomisiert für eine maschinelle Dauerperfusion mit einer Pumpe oder für das Standardverfahren (jeweils beim kontralateralen Organ) vorgesehen. Primärer Endpunkt war die Rate der Organe mit verzögerter Funktion. Sie war definiert als Dialysepflichtigkeit des Transplantatempfängers innerhalb einer Woche nach der Op.

In der Gruppe, die nach Standardverfahren konservierte Nieren erhielt, hatten 89 Patienten eine verzögerte Organfunktion (26,5 Prozent). In der Gruppe mit maschinell perfundierten Organen waren es 70 (etwa 21 Prozent) - ein statistisch signifikanter Unterschied. Wenn eine verzögerte Funktion auftrat, dann hielt sie bei Patienten mit maschinell perfundierten Organen durchschnittlich drei Tage weniger an (10 Tage) als in der Vergleichsgruppe (13 Tage). Die Einjahres-Überlebensrate des Organs betrug 90 Prozent bei konventionell gekühlten Nieren und 94 Prozent bei Nieren nach Dauerperfusion. Signifikante Unterschiede bei unerwünschten Wirkungen bei Organempfängern wurden nicht beobachtet.

"Die Organe in dieser Studie hatten unterschiedliche Qualität, ohne dass ein klarer Vorteil erkennbar gewesen wäre für Organe von Spendern mit erweiterten Kriterien, also mit gewissen Vorschäden", sagt Professor Günter Kirste von der Deutschen Stiftung Organtransplantation in Frankfurt am Main und Koautor der Studie. "Es ist aber zu erwarten, dass der Vorteil einer maschinellen Dauerperfusion für Organe mit langen Transportzeiten oder von Spendern mit Komorbiditäten, also bei erweiterten Spendekriterien, größer ist als bei Organen mit einer guten oder sehr guten Qualität; und auf den besonderen Nutzen bei diesen Subgruppen von Organen weisen andere, aktuelle Studien hin", so Kirste zur "Ärzte Zeitung".

Neues Verfahren bei suboptimaler Organqualität?

Wenn also in Deutschland an eine Einführung der Dauerperfusion gedacht werde, wie sie teils routinemäßig in den USA angewandt wird, dann am ehesten bei Organen, für die eher lange extrakorporale Aufbewahrungszeiten zu erwarten seien, oder für Organe von suboptimaler Qualität, die einen Sauerstoff- und Nährstoffmangel außerhalb des Körpers offenbar schlechter kompensieren könnten, so Kirste.

Die maschinelle Dauerperfusion sei aufwendiger und kostenintensiver als der Standard und nur durch bessere Organfunktions- und Überlebensraten und weniger Dialyse zu rechtfertigen. Bei der Transplantation von Herzen sei der Vorteil einer dauerhaften Perfusion - sie erfolgt dann mit sauerstoffangereichertem Blut des Spenders - vermutlich deutlich größer als bei Nieren.

Nierentransplantation

Im Jahr 2008 wurden nach Angaben der Deutschen Stiftung Organtransplantation (DSO) in Deutschland 2753 Nieren übertragen. 2188 Nieren wurden nach postmortaler Organspende verpflanzt und 565 nach einer Lebendspende - das sind 20,5 Prozent aller Nierentransplantationen. Zur Zeit warten über 8000 Patienten in Deutschland auf eine Spenderniere. (mut)

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