Spenderherz bleibt warm und schlägt weiter

Ein neues Transportsystem für Spenderorgane, das nun auch in Heidelberg erprobt wird, macht es möglich, dass Organe auf dem Weg zum Empfänger nicht mehr gekühlt werden müssen. Transplantationsmediziner hoffen, dass dadurch künftig mehr Spenderorgane zur Verfügung stehen werden.

Von Ingeborg Bördlein Veröffentlicht:

Ein neues Transportsystem für Spenderherzen erlaubt den Organtransport quasi unter physiologischen Bedingungen. Das Herz wird sofort nach der Entnahme an eine Perfusionspumpe angeschlossen und bleibt auf dem Weg zum Empfänger vital: Es wird von sauerstoffreichem Blut des Spenders durchspült, behält die Körpertemperatur und schlägt weiter.

Möglich wird dies mit dem in den USA entwickelten "Organic Care System" (OCS), das jetzt in einer multizentrischen Studie erstmals in Deutschland erprobt wird. Die Herzchirurgen erhoffen sich durch die wesentlich verkürzte Ischämiezeit verbesserte Transplantationsergebnisse, wie der Leiter der Abteilung für Herzchirurgie am Universitätsklinikum Heidelberg, Professor Matthias Karck, sagt. An dem Klinikum wurde das Gerät diese Woche vorgestellt.

Herzstück ist eine sterile Box, die mit einer Perfusionslösung gefüllt ist. Die Steuerungssysteme sind in einer tragbaren Plattform mit schnurlosem Monitor untergebracht. Sie birgt alle lebenswichtigen Funktionen wie die Pumpe, an die das entnommene Herz über die Hauptschlagader angeschlossen wird. Mit dieser miniaturisierten Herz-Lungen-Maschine wird das Herz am Schlagen gehalten. Ein Schrittmacher und ein Defibrillator sind ebenfalls integriert.

Im "Organic Care System" wird das schlagende Spenderherz in einer fahrbaren Box frisch gehalten.

Im "Organic Care System" wird das schlagende Spenderherz in einer fahrbaren Box frisch gehalten.

© Foto: Universitätsklinikum Heidelberg

Durchspült wird das Organ mit dem Blut des Organspenders - 1200 Milliliter genügen. Das Transportteam kann über den Monitor die Vitalfunktionen wie Koronarfluss, Sauerstoffversorgung und Temperatur überwachen. Ein Set mit Nährstofflösungen garantiert, dass das Organ mit lebenswichtigen Nährstoffen versorgt wird.

"Seit mehr als 30 Jahren transportieren wir Spenderherzen so wie wir einen Goldfisch mit nach Hause nehmen, nämlich in gekühlter Flüssigkeit", beschreibt der Transplantationschirurg Professor Falk-Udo Sack die gegenwärtige Situation. Die Blutzufuhr nach Entnahme wird unterbrochen und das Herz in einer Kühlflüssigkeit bei 4 °C gelagert und transportiert. Die Ischämiezeit liegt in Europa bei etwa vier Stunden. Aus großen Studien sei bekannt, dass das Risiko für ein Organversagen in der Frühphase mit der Dauer der Ischämie korreliert. Die kann Sack zufolge mit dem neuen System auf unter 70 bis 80 Minuten verkürzt werden. Ischämieperfusionsschäden an den Endothelien würden so minimiert und die Immunlage verbessert. So rechnen die Chirurgen auch mit weniger Abstoßungsreaktionen.

Entscheidend sei zudem, dass die Spiegel des Energieträgers ATP beim schlagenden Herzen hoch gehalten werden können, wie Karck betonte. "Beim kalten Transport fällt die ATP-Konzentration steil ab und führt zu Organschäden". Bleibe das Niveau des Energiepools aber erhalten, so könne der Herzmuskel sofort nach der Verpflanzung unbeschadet seine Tätigkeit wieder aufnehmen.

Schließlich versprechen sich die Transplantationsmediziner auch einen Zeitgewinn: Bis zu zwölf Stunden könne das schlagende Herz einen Transport unbeschadet überstehen, schätzt Karck. Das eröffne mehr Freiheit bei den Transportwegen. Das schlagende Herz in der Box toleriere zudem einen längeren Zeitaufwand bei der Operation, der bei den oft zuvor schon einmal operierten Empfängern nicht zu umgehen sei, ergänzte Sack.

Durch den "Lebendtransport des Organs" werden mehr Spenderherzen zur Verfügung stehen, da weniger Organschäden zu befürchten seien und längere Transportzeiten in Kauf genommen werden könnten, prognostizieren die Herzchirurgen. Erste Ergebnisse mit dem "Organ Care System" in einer internationalen Studie sind vielversprechend: Fast alle der mit einem vitalen Herz versorgten 67 Patienten (97 Prozent) überlebten die ersten 30 Tage. In Deutschland sind es mit dem derzeit üblichen Vorgehen mit gekühlten Organen 85 Prozent. Kardiale Komplikationen wie Rhythmusstörungen seien seltener aufgetreten, so Sack.

Organic Care System

Das "Organ Care System" des US-Unternehmens TransMedics wird jetzt in der multizentrischen klinischen Studie PROTECT an den Transplantationszentren in Heidelberg, Bad Oeynhausen, Berlin und Hannover getestet. Die Zentren in Hamburg, München und Leipzig werden folgen. Geklärt werden soll, ob sich die 30-Tage-Überlebensrate nach Herztransplantation verbessern lässt. 10 bis 15 Prozent der Empfänger sterben in diesem Zeitraum. Von Interesse ist auch, ob sich die Anwendung des Systems rechnet. Die reinen Gerätekosten werden auf 80 000 Euro veranschlagt. (bd)

*PROspektive multi-center European Trial to Evaluate the safety and performance of the Organ Care System for Heart Transplants

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