Biochip für Anthrax soll helfen, Fehlalarme zu vermeiden

Vor wenigen Wochen waren Bevölkerung und Behörden in den USA wieder in Aufregung: Anthrax-verseuchte Briefe sollten in einer Stadt in New Jersey im Umlauf sein, Gebäude wurden evakuiert. Ein Fehlalarm, wie so oft. Aber der Schrecken vom Herbst 2001 sitzt tief: Fünf US-Bürger starben durch Milzbrand-Briefe. Auch in Deutschland sind Logistik und diagnostische Optionen verbessert worden, um Anthrax schnell zu erkennen. Das war ein Thema bei Pneumologenkongreß in Frankfurt am Main.

Von Nicola Siegmund-Schultze Veröffentlicht:

FRANKFURT AM MAIN. "Anthrax eignet sich im Prinzip hervorragend als biologische Waffe", erläuterte Dr. Christoph Lange von der medizinischen Klinik des Forschungszentrums Borstel bei Lübeck. Die größte Hürde für Bioterroristen bestehe darin, die Sporen in eine Form zu bringen, welche eine Verbreitung über die Luft möglich mache. Dem US-amerikanischen Attentäter sei dies gelungen.

Er habe den Sporen einen elektrostatisch geladenen, hauchdünnen Glasfaser-Überzug verpaßt, der das Absinken auf den Boden verhindere. So konnten Lungen- und Hautmilzbrand hervorgerufen werden. Lungenmilzbrand ist mit einer Mortalität von etwa 90 Prozent der Infizierten die gefährlichste Form.

Anthrax-Erreger lassen sich bei Infizierten schnell nachweisen

Bei infizierten Patienten läßt sich nach Angaben von Lange der Erreger schnell nachweisen, da er eine kurze Generationszeit hat: In etwa sieben Stunden werde eine Liquor-Probe positiv, in etwa 24 Stunden eine Blutprobe.

Schwieriger wird es, den Erreger oder seine Sporen in Umweltmaterialien zu finden. So kam es im Oktober und November 2001 in Deutschland zu mehreren Fehlalarmen. Einmal sollte ein Anthrax-Brief ins Kanzleramt gelangt sein, ein anderes Mal wurde ein Paket mit verdächtigem, weißen Pulver als Anthrax-verseucht ausgemacht. Es enthielt nur Gips, wie sich später herausstellte.

Vernichtend aber fällt der Rückblick von Dr. Wolfgang Beyer aus, der an der Universität Hohenheim ein Konsiliarlabor für Bacillus anthracis leitet: Es sei zu vermuten, daß sich mit den von vielen Laboratorien damals verwendeten Methoden "niemals eine positive Probe hätte erkennen lassen", so Beyer im Bundesgesundheitsblatt (2003, 11, 956). Und: "Die Labors hätten das Problem wahrscheinlich gar nicht bemerkt".

Zuletzt war in den 70er Jahren ein Infizierter in Deutschland

Zwecks Gefahrenabwehr sind jetzt die Standards für die konventionelle Diagnostik aktualisiert worden. Schließlich gab es den letzten Anthrax-Fall in Deutschland in den siebziger Jahren. Für einen Anhaltspunkt aus Umweltproben innerhalb von wenigen Stunden, wie es bei Gefährdung der Öffentlichkeit wünschenswert wäre, ist allerdings nur ein PCR-basierter Test schnell genug.

Dr. Ulrich Nübel vom Robert-Koch-Institut in Berlin hat zusammen mit dem Fraunhofer-Institut in Potsdam-Rehbrücke einen solchen Test entwickelt. Dieser liefere ein Ergebnis in etwa fünf Stunden und habe eine fast hundertprozentige Sensitivität, sagte Nübel bei einem Chiptechnologie-Symposium der Dechema in Frankfurt.

Der Oligonukleotid-Chip soll vor allem das Problem lösen, welches in der Vergangenheit so häufig Fehlalarme ausgelöst hat: Die Schwierigkeit, Bacillus anthracis von anderen Keimen seiner Gattung zu differenzieren. Der Chip könne einzelne Positionen in den Nukleotidsequenzen von B. anthracis und seinen nahen Verwandten, B. cereus, B. thuringiensis, B. mycoides und pseudomycoides sowie B. weihenstephanensis unterscheiden, sagte Nübel.

"Der Vorteil des PCR-basierten Oligonukleotid-Chips liegt vor allem darin, daß man bei einem negativen Ergebnis schnell Entwarnung geben kann", sagte der Forscher, der auch die Bundesregierung auf diesem Gebiet berät. "Wenn der Test positiv ausfällt, ist das natürlich intern eine wichtige Information. Zur Sicherheit würde man aber eine konventionelle Diagnostik anschließen und versuchen, den Erreger anzuzüchten."

Weitere Informationen im Internet zu Anthrax und Bioterrorismus unter den Adressen: http://www.rki.de und http://www.bfav.de

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