Auf dem Kinderbild lächelt die Mutter, während sie ertrinkt

GALLE (dpa). Auf dem Kinderbild lacht die Sonne über Sri Lanka, obwohl es nur Grund zum Weinen gibt. Lakshita malt, wie er auf eine Palme geflüchtet ist, während seine Mutter in der Flut ertrinkt - auf dem Bild hat sie dabei ein Lächeln auf ihrem Gesicht.

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Wenn es dem Waisenjungen, dessen Vater vor über zwei Jahren bei einem Unfall starb, besonders schlecht geht, bittet er seine Tante, ihn in ihren Armen zu wiegen. Lakshita und seine elfjährige Schwester Lassita wachsen nun bei ihren Großeltern auf - die auf eine bessere Zukunft für die Kinder hoffen.

Nach Unicef-Angaben hat die Katastrophe vor zwei Monaten mehr als 1000 Kinder in Sri Lanka zu Vollwaisen gemacht, über 3500 wurden Halbwaisen. Lakshita und Lassita verloren nicht nur ihre Mutter, sondern auch ihre sieben Jahre alte Schwester Kaylesha.

Zwischen Plastikblumen stehen Kayleshas Kinderschuhe auf einem Regal. Eine Glühbirne spendet Licht, Fliegen schwirren umher. Statt Türen gibt es Vorhänge, statt Fensterglas Planen. Die Flut spülte Betten und Matratzen weg, die Familie schläft auf dem Boden. "Aber es ist alles besser als die erste Zeit im Auffanglager", sagt Großvater Medduwage Nandasena.

"Kaylesha hatte sich die neuen Schuhe gewünscht, aber dann kam der Tsunami, sie konnte sie nie tragen", sagt die Großmutter. "Wir heben die Schuhe als Andenken auf."

Nandasena hat außer den Schuhen auch ein Foto des Mädchens mit deren Mutter Renuka aus der Brühe gefischt, die in dem Haus der Familie stand. Es ist das einzige Bild, das es von den beiden noch gibt. Die Ränder des Fotos sind vergilbt. Mit großen dunklen Augen blickt die 29 Jahre alte Renuka freundlich in die Kamera, es ist die Hochzeit ihres Bruders. Kaylesha, deren Leiche man nie fand, hält sie auf dem Bild im Arm.

Kaylesha ging bis zur Katastrophe mit ihren beiden Geschwistern zur nahe gelegenen Schule. Viele Schüler und auch drei Lehrer hat die Katastrophe das Leben gekostet, die Schulgebäude - sie lagen zu nahe am Meer - stehen nicht mehr. Unterrichtet wird nun in Zelten, die Hilfsorganisationen gespendet haben. "Aber wir sind froh, wieder zur Schule gehen zu können", sagt Lassita. An den Strand allerdings, sagt der Großvater, gehen die Kinder nicht mehr. Seinem Enkel hat er dort an den Wochenenden vor der Katastrophe das Schwimmen beigebracht.

Großvater Nandasena kann sich Angst vorm Meer nicht leisten. Das Boot, mit dem der Fischer vor der Katastrophe hinausfuhr, ist zerstört. Er geht nun jeden Tag zum Hafen, um als Tagelöhner Arbeit zu finden - längst nicht immer erfolgreich, die Familie lebt vor allem von staatlichen Essensmarken.

Ein Frankfurter Unternehmer hörte von dem Schicksal der Waisen und des Fischers und spendierte ein neues Boot. Die Werften aber sind nach der Katastrophe überlastet, Nandasena muß warten, und das fällt ihm schwer. "Wenn das Boot kommt, werde ich vor Freude außer mir sein", sagt er.

Dem neunjährigen Lakshita wird die Angst vor dem Tod so schnell nicht mehr zu nehmen sein. Als er nach den Flutwellen die Leiche seiner Mutter sah, versuchten ihn Nachbarn zu überzeugen, daß es sich um eine andere Frau handelte - niemand weiß, ob er ihnen die gut gemeinte Lüge abkaufte.

Die Tote wurde dort verscharrt, wo man sie fand, für Pietät gab es viel zu viele Leichen, jeder Dritte Dorfbewohner starb in den Wassermassen. Vor wenigen Tagen verbreitete sich im Dorf das Gerücht, eine neue Flutwelle sei im Anzug. Lakshita rannte weinend aus dem Haus und schrie: "Ich will nicht sterben."

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