21 Füße aus Gips, ein Ersatzteilmensch und ein Auge aus den 30er Jahren

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Von Simona Block

Das überdimensionale Ohr ist mit Kunststoff abgedeckt, der riesige Augapfel und das zigfach vergrößerte Gehirn stehen schon frei. In den letzten drei Räumen der Dauerausstellung im Deutschen Hygiene-Museum Dresden wird eifrig geschraubt, gefräst, poliert und geputzt.

Bis zum 22. April soll der restliche Teil der Exposition eingerichtet und die Präsentation zum Menschen, seinem Körper und seiner Gesundheit komplett sein. Der zweite Teil umfaßt etwa 750 Exponate hauptsächlich aus eigenem Bestand. "Etwa 80 Prozent waren über Jahre im Depot", sagt Projektleiter Bodo-Michael Baumunk.

Die ersten Säle zu den Komplexen "Leben und Sterben", "Ernährung" und "Sexualität im Zeitalter der Reproduktionsmedizin" wurden vor knapp einem Jahr eröffnet. Nun kommen die Themen "Erinnern - Denken - Lernen.

Der Kosmos im Kopf - Das Gehirn", "Bewegung - Die Kunst der Koordination" sowie "Schönheit - Haut- Haar" dazu. Wie im ersten Teil der Schau stehen Historisches und Modernes beieinander, können Besucher Sinne, Muskeln und Wahrnehmungen testen.

Der Rundgang macht Bekanntes aus eigenem Erleben erklärbar. "Wir wollten keine Enzyklopädie von der Zeugung bis zum Tod oder von der Zelle bis zum Universum. Damit haben wir uns lange genug herumgeplagt und sind aufs Abstellgleis geraten", sagt Museumsdirektor Klaus Vogel. Die sieben Räume geben einen grundlegenden Eindruck von der Funktionsweise des menschlichen Körpers, vermitteln Wissen über wichtige Funktionen, Fehlbildungen und Krankheiten.

Die Ausstellung will eine Ahnung vom Wert des menschlichen Lebens, von seiner Einzigartigkeit und Bedeutung vermitteln. Eine solche Exposition kann nach Ansicht ihrer Gestalter dazu beitragen, verantwortungsvoll mit Gesundheit umzugehen. Dabei können die Dresdner aus einem umfangreichen Bestand an Modellen schöpfen. "Das Auge ist sogar aus den 30er Jahren", sagt Baumunk. Die Sammlung eines Augenarztes umfaßt außer alten Prüfgeräten eine Brillenkollektion.

Im Raum der "Bewegung" gehören 21 Füße aus Gips und Wachs zu den Exponaten. "Das Museum besitzt etwa 100 Fußmodelle", sagt Baumunk. Die Auswahl zeigt Verbildungen wie Platt-, Senk- oder Spreizfuß sowie Verformungen, die schlechtes Schuhwerk anrichtet. Daneben gibt es Zeugnisse der Ersatzteilmedizin vom Amputationsapparat aus alten Zeiten bis zur modernen Sportprothese. "Am Ersatzteilmensch sieht man, was am Skelett und Knochen künstlich ersetzbar ist."

Im nächsten Raum sind Vitrinen und Wände noch leer. Hier werden etwa 20 Prozent der Sammlung Schwarzkopf Platz finden, die das Museum1995 als Dauerleihgabe bekam. Dazu gehören Perückenköpfe aus dem 18. Jahrhundert, Necessaires aus verschiedenen Epochen, eine Pudreuse von 1750, Zierkämme, Parfümverdampfer und 120 Flakons aus Glas, Kristall, Elfenbein, Porzellan, Silber oder Halbedelstein. Hinzu kommen überdimensionale Modelle des Haares und der Haut, aber auch Wachsmodelle von Hautkrankheiten.

"In der Gesamtwirkung soll kein Menschenbild vermittelt werden, das auf Perfektion beruht. Krankheit und Leid sind auch Teil menschlicher Existenz. Die gängige Verabsolutierung der Gesundheit muß hinterfragt werden", sagt Vogel. Mit der Gesundheitserziehung aus DDR-Zeiten sei jedoch Schluß. "Der Zeigefinger ist weg, wir sind zur klassischen Kulturinstitution geworden, die sammelt, bewahrt, erforscht und ausstellt."

Kindermuseum und Depot sollen das Museum bis Jahresende komplettieren. Vogel hofft dann auf größeres Interesse für das Haus, dessen Name jedoch auf touristischem Gebiet hinderlich sei. Das "Hygiene" löse bei vielen ein befremdendes Gefühl aus. "Was in den 30er Jahren ein Zugpferd war, ist heute ein Hindernis", sagt Vogel. Es werde vorsichtig über einen Untertitel für das Museum nachgedacht.

Der zweite Teil der ständigen Ausstellung im Hygiene-Museum wird am 23. April eröffnet. Infos im Internet: www.dhmd.de

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