Noch immer ist oft von den Wessis und den Ossis die Rede
15 Jahre nach der Wiedervereinigung wird das Verhältnis der Ost- und Westdeutschen zueinander noch immer stark von ihrem Gruppen-Zugehörigkeitsgefühl beeinflußt.
In vielen Bereichen werde in Kategorien gedacht und von "den Ostdeutschen" und "den Westdeutschen" gesprochen, sagte die Psychologin Amelie Mummendey von der Universität Jena. "Aus der Sozialpsychologie wissen wir, daß Gruppen stark dazu tendieren, ihre eigene Gruppe als typisch zu beurteilen und die der anderen als untypisch", erklärte sie.
In der Folge werde das eigene Verhalten als richtig, das der anderen als eher falsch eingeschätzt. Daraus entwickeln sich Vorurteile und Diskriminierungen.
Ein typisches Beispiel seien die Äußerungen von CSU-Chef Edmund Stoiber im Wahlkampf gewesen, daß nicht die Menschen in Ostdeutschland den Ausgang der Wahlen entscheiden dürften, sagte Mummendey. In der Konsequenz heiße das, "was in Deutschland passiert, muß von den richtigen Deutschen entschieden werden - und die Westdeutschen sind die richtigeren Deutschen."
Diese "Eigengruppenprojektionen" seien allerdings nichts Ungewöhnliches oder Abnormes bei gesellschaftlichen Fusionsprozessen. "Solche Probleme begegnen uns nicht nur beim Zusammenwachsen in Deutschland, sondern auch bei der Fusion von Schulen, Unternehmen oder im großen Maßstab im neuen Europa".
Aus psychologischer Sicht sei es jedoch müßig, "an die Menschen zu appellieren, ihre Identifikation mit der Ursprungsgruppe aufzugeben". Vielmehr sei es nötig, "am Bild der neuen Gruppe zu arbeiten, deren Stärken, aber auch deren Vielfältigkeit zu betonen", forderte Mummendey. Chancen für neue Gruppengefühle eröffneten sich immer dann, wenn den Menschen mehrere Identifikationsmöglichkeiten angeboten würden. (ddp.vwd)
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