Ein lächelnder Schöngeist - der Neandertaler war kein zotteliger Rüpel

Von Gerd Korinthenberg Veröffentlicht:

Grobschlächtig, zottelig und mit gewaltiger Keule bewaffnet: So lebt der Neandertaler im Bewußtsein fast aller heutiger Menschen. Zum 150. Jahrestag der Entdeckung des Urmenschen ist das Neanderthal-Museum bei Mettmann angetreten, die Ehre dieser weltweit populärsten frühen Menschenart zu retten.

Den Neandertaler-Darstellungen vom kitschigen Plastikpüppchen bis zum Film-Rüpel stellt das Museum nahe des historischen Fundplatzes in der Ausstellung "Hautnah", die bis zum 24. September läuft, neue wissenschaftliche Erkenntnisse gegenüber.

Die Präsentation ist Auftakt eines landesweiten sommerlichen Ausstellungsreigens zum Jubiläum der Entdeckung des Neandertalers, auf dessen Knochen im August 1856 Steinbrucharbeiter nur wenig entfernt vom heutigen Museum gestoßen sind.

Akribisch dokumentiert die Schau das Leben der Neandertaler als Meister des Überlebens in der Eiszeit. Ausgrabungsfunde und exakte Kopien bedeutender Skelettreste wurden mit völkerkundlichem Wissen vom Leben heutiger Nomaden an den Rändern des Arktis-Eises kombiniert, um so plastisch wie möglich den anstrengenden Alltag des Frühmenschen zu rekonstruieren.

Historische Abbildungen und Porträt-Büsten früherer Wissenschaftler und Künstler zeigen das durchweg gruselige überkommene Bild des Urmenschen. Statistiken verweisen auf das Durchschnittsalter von unter 40 Jahren und häufige Verletzungen an den bis heute bekannten etwa 300 Neandertalerfunden. Die meisten Knochenbrüche ähneln verblüffend den Schäden von Rodeoreitern.

Ein Labor zur Untersuchung des Erbguts stellt die provozierende Frage: ""Wie viel Neandertaler steckt in uns?" Niemand braucht darüber heute mehr zu erschrecken, denn, so belegt es die Dokumentation, der Neandertaler war ein früher Schöngeist, der Farben liebte, seine Nächsten bei Krankheiten pflegte, Schmuck und vielleicht sogar schon Musik kannte. "Das Bild von der kulturellen Überlegenheit des anschließenden modernen Menschen stimmt nicht", weiß Museumschef Professor Gerd-Christian Weniger.

Der Jubilar selbst, der vor etwa 42 000 Jahren von seinen Artgenossen im Neandertal bestattet worden ist, hat selbstverständlich auch seinen spektakulären Auftritt: Verblüffend lebensecht wirkt der etwa 50 Jahre alte Herr in Leder-Leggins und Lendenschurz, der auf seinen Jagdspeer gestützt den Besucher gleich am Museums-Eingang erwartet.

Die Figur ist die erste exakte Nachbildung, die dem Fund von 1856 eine bis auf Knochendeformationen und Verletzungsnarben reale Gestalt wiedergibt. Und auch sein weises Lächeln ist nicht unberechtigt: Immerhin hat der Neandertaler mit etwa 250 000 Jahren Europa fünfmal länger besiedelt als der heute so selbstbewußte Mensch der Moderne. (dpa)

Infos im Internet unter: www.neanderthalerundco.de

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